Die Meinung am Freitag, 22.02.2019, von Hermann Kuhn

Ich meine, dass es gut ist, auch einmal innezuhalten.

21.02.19 –

Ich meine, dass es gut ist, auch einmal innezuhalten.

Am Mittwoch durfte ich im Dom und in der Bürgerschaft teilnehmen am Abschied von Christian Weber. Alle haben wohl die Erfahrung gemacht, dass wir in solchen Stunden nicht nur an den Verstorbenen denken, sondern auch über unser eigenes Leben nachdenken. Dass es schön wäre, wenn wir die freundlichen und respektvollen Worte zu Menschen nicht erst dann sprechen, wenn der Mensch sie nicht mehr hören kann. Aber das sind private Empfindungen, die nicht hierhergehören.

Politisch war dieser Abschied deshalb, weil sich die Redner*innen und Teilnehmenden noch einmal beim Sprechen über den betrauernden Menschen vergewissert haben, worum es uns in unserem Gemeinwesen und überhaupt in der Politik eigentlich geht, was wir schätzen und fördern. Wenn das die von vielen leichtfertig geschmähte „politische Klasse“ war, die da gestern zusammenkam, dann ist mir um sie nicht bange. Natürlich war das Bild des Verstorbenen und seiner Freunde und Kontrahenten gestern schön gezeichnet; aber es war ein Bild, in dem ich mich im Grundsätzlichen, im Idealen wiederfinden konnte.

Die politische Konsequenz dieser Gedanken ist aktuell. In Kürze wird der Wahlkampf intensiv beginnen, und wir Grünen werden unsere Ideen, unsere Überzeugungen und Vorschläge natürlich als die richtige Lösung vertreten, klar und auch mal polemisch gegenüber anderen. Klare Botschaft: Wir liegen richtig, die anderen nicht. Das muss auch so sein, sonst hätten wir uns nicht in dieser Partei zusammengeschlossen. Aber wir müssen gleichzeitig allen Bürgerinnen und Bürgern in Versammlungen und auf der Straße auf Augenhöhe entgegentreten. Und das heißt eben auch, es grundsätzlich für möglich zu halten, dass auch die anderen Argumente und Meinungen haben, über die es lohnt, nachzudenken. Und vielleicht auch mal das Gemeinsame und nicht nur das ganz Eigene hervorzuheben.

Hermann Kuhn