Die Meinung am Freitag, 09.09.2016, von Hermann Kuhn

Ich meine, dass, wer für eine Aufgabe der Grünen Partei kandidieren möchte, einfach kandidieren sollte.

08.09.16 –

Ich meine, dass, wer für eine Aufgabe der Grünen Partei kandidieren möchte, einfach kandidieren sollte.

Niemand hindert ihn oder sie daran. Da Marieluise Beck diese Frage gegenwärtig mit großem Aufwand in die Stadtöffentlichkeit trägt, ist es jetzt unumgänglich, dass auch unter den Grünen darüber offen gesprochen wird. Denn so kandidiert sie zwar nicht, macht jedoch trotzdem Wahlkampf – aber nicht gerade für die Grünen.

Marieluise hat vor einigen Wochen in einem Brief an die grünen Mitglieder erklärt, dass sie gern erneut für die Bremer Grünen zum Bundestag kandidieren würde, dies aber nicht mehr tun wird – obwohl sie eigentlich unverzichtbar sei –, weil „Teile des grünen Establishments“ dies nicht wollten. Da stellen sich mehrere Fragen: Ist Marieluise der Meinung, dass sie sechsmal in Bremen vom „grünen Establishment“ aufgestellt worden ist? Ich erinnere mich anders: In Bremen haben die Mitglieder entschieden und niemand sonst, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Kandidiert man bei den Grünen nur noch, wenn man sich sicher sein kann, dass man gewinnt? Sind nicht mehrere Kandidatinnen in einer demokratischen Partei die pure Selbstverständlichkeit? Ich meine, das ist keine Majestätsbeleidigung, im Gegenteil, Respekt vor „ihrer Majestät“ den Mitgliedern. Die „Anti-Establishment“-Pose, die hier eingenommen wird, ist ganz kurios, denn sollte es dieses „grüne Establishment“ je gegeben haben oder geben, dann hat Marieluise ganz sicher ganz vorn dazu gehört.

Marieluise hat in ihrer Erklärung, nicht mehr kandidieren zu wollen, die Vermutung geäußert, man wolle sie nicht mehr wegen ihrer politischen Haltung zu Osteuropa, für die Demokratie, gegen Putin. Jedenfalls aus innergrünen Diskussionen auf Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen habe ich von solcher inhaltlichen Kritik an ihren Positionen als Grund nichts gehört, ich halte diese Behauptung daher für eine Irreführung. Ich jedenfalls hatte mit Marieluise seit dem Bosnien-Krieg, zu Nahost und Osteuropa, zuletzt in der Ukraine-Frage nie eine politische Differenz, im Gegenteil, wir haben in diesen Fragen oft sehr gut zusammengearbeitet.

Auch deshalb, aber auch, weil bis zum „Weser-Talk“-Moderator in der Stadt verbreitet wird, Hermann Kuhn und ein, zwei andere seien die geheime Macht im Dunkeln, die gegen sie arbeite, muss ich an dieser Stelle ausnahmeweise auch über mich sprechen. Marieluise hat mich vor vier Jahren kritisiert, dass ich ihr nicht klar gesagt hätte, ob ich für oder gegen sie sei. Das wollte ich dieses Mal anders machen und habe ihr, und nur ihr persönlich gesagt, dass ich im Fall einer Kandidatur von Kirsten Kappert-Gonther für Kirsten stimmen würde.

Ich habe ihr auch meine wichtigsten Gründe genannt: Bremen hat nur eine grüne Abgeordnete im Bundestag, und deshalb sind wir darauf angewiesen, dass auch Themen im Verhältnis Bremen/Bund mit behandelt werden. Das hatte sie vor drei Jahren auch zugesagt, aber nach meiner Wahrnehmung nicht eingelöst. Mein zweiter Grund ist, dass die kommende Wahl ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel nach sehr langer Zeit ist (den sie übrigens vor vier Jahren selbst angekündigt hatte). Mit Kirsten hat sich jetzt eine Politikerin beworben, die bereits über solide Lebens- und politische Erfahrung verfügt und diese, wenn die Mitglieder es denn wollen, für einige Jahre in Berlin einbringen und weiterentwickeln kann.

Diese persönliche Meinung habe ich bisher nie öffentlich gemacht, höchstens eine gute Handvoll Grüner kennt sie. Es ist schon ehrabschneidend, wenn mir trotzdem eine „Kampagne“ angedichtet wird, und das werde ich mir nicht gefallen lassen. Es wäre sehr schade, wenn Marieluise ihre großartige Arbeit bei den Grünen insgesamt und zuletzt in Bremen mit einer Kampagne beenden würde, die sie beschädigt und den Grünen schadet.

Hermann Kuhn