Die Meinung am Freitag, 11.08.2017, von Henrike Müller

Diese Woche schreibt Henrike Müller über den wichtigen Unterschied zwischen "du bist auch gemeint" und "genau du bist gemeint".

10.08.17 –

Ich meine, „auch“ reicht eben nicht.

Derzeit stehen in Bremen wieder Haushaltsverhandlungen an. Also überprüfen wir, ob in den vergangenen zwei Jahren die (wenigen) finanziellen Ressourcen in Bremen und Bremerhaven bedarfsgerecht eingesetzt wurden. Sind besonders benachteiligte Gruppen, wie z.B. Alleinerziehende in den Blick genommen worden?

Wir wissen, Alleinerziehende leben hier zu oft in Armut, Beratungs- und Unterstützungsangebote erreichen sie nicht. Trotzdem lese ich auf Nachfrage: alle Angebote stehen natürlich auch Alleinerziehenden offen.

Wir wissen, der öffentliche Raum - insbesondere Spielplätze - werden von Jungen und Mädchen ungleich genutzt. Mädchen vermissen Räume und Angebote für ihre Interessen. Auf Nachfrage heißt es aber: alle Spielplätze stehen natürlich auch Mädchen zur Verfügung.

Wir wissen, junge Männer mit Migrationshintergrund erleben besonders häufig Diskriminierung und Gewalt. Auf Nachfrage heißt es aber: alle Beratungsangebote stehen natürlich allen Männern, auch denen mit Migrationshintergrund, zur Verfügung.

Das Land Bremen hat sich vor 15 Jahren (!) dazu verpflichtet Politik zielgruppenspezifisch auszurichten. Ja, das Prinzip hat einen sperrigen Namen, es heißt „Gender Mainstreaming/ Budgeting“ – aber es meint etwas ganz Einfaches: Politik an den Bedarfen der Menschen ausrichten. Und zwar nicht an einer anonymen Masse, an einem Neutrum Mensch. Sondern es meint eben genau dies: spezifische Bedarfe von Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen wahrnehmen und dann spezifisch handeln. Die Standardantwort alles steht allen zur Verfügung ist wirklich von vorvorgestern. Politik wirkt nicht gleich auf unterschiedliche Gruppen, das müßte sich eigentlich inzwischen rumgesprochen haben.

Deshalb werden wir nicht müde immer wieder zu betonen: es geht nicht darum, was vermeintlich allen zur Verfügung steht, sondern darum: warum werden welche Angebote von welcher Zielgruppe genutzt und noch wichtiger, warum kommen Angebote bei bestimmten Zielgruppen nicht an. Und dann heißt es eben, umsteuern und Angebote verändern!

Denn unser Motto politischen Handelns ist eben nicht: du bist auch gemeint, sondern genau du bist gemeint. Diese Mühe machen wir uns!