Die Meinung am Freitag, 15.09.2017, von Kirsten Wiese

Diese Woche schreibt Kirsten Wiese darüber, dass die präventive Arbeit mit islamistisch gefährdeten jungen Menschen weiterhin von der Jugendhilfe und nicht vom Verfassungsschutz durchgeführt werden soll.

14.09.17 –

Ich meine, dass die präventive Arbeit mit islamistisch gefährdeten jungen Menschen weiterhin von der Jugendhilfe und nicht vom Verfassungsschutz durchgeführt werden soll.

In der Bürgerschaft wird dagegen in der nächsten Woche ein Gesetzesentwurf von SPD und Grünen behandelt werden, nach dem das Landesamt für Verfassungsschutz für die „Deradikalisierung“ extremistisch gefährdeter junger Menschen jedenfalls subsidiär zuständig sein soll (Radikalisierung früh erkennen und reagieren - Gesetz zur Zuständigkeit bei erkannter Radikalisierung junger Menschen, Drucksache 19/1189). Durch das vorgeschlagene Gesetz soll erstens dem Verfassungsschutz die  Aufgabe zugewiesen werden, Deradikalisierungsprogramme für Jugendliche und junge Erwachsene anzubieten, die möglicherweise  aus politischen Gründen Gewalt gegen Personen oder Sachen anwenden werden, sofern keine andere bremische Dienststelle diese Aufgabe erfüllt. Zweitens sollen Schulleiter*innen gehalten sein, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie  Kenntnis haben über „Umstände, die einen Verdacht begründen können, dass eine Schülerin oder ein Schüler sich dahingehend radikalisiert, dass die Verwirklichung einer strafbaren Handlung nach § 89a des Strafgesetzbuches nicht ausgeschlossen werden kann.“ § 89a StGB stellt die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, zum Beispiel die Teilnahme an einem Ausbildungscamp des Islamistischen Staates, unter Strafe. Bislang sind Schulleiter*innen dagegen nur verpflichtet, die Polizei einzuschalten, wenn Schüler*innen tatsächlich Straftaten begangen haben.

Beide Ziele des Gesetzesentwurfs halte ich für falsch. Weder sollte der Verfassungsschutz damit betraut werden, Beratung und Begleitung für extremistisch gefährdete junge Menschen anzubieten oder zu organisieren, noch sollten Schulleiter*innen verpflichtet werden, Verdachtsmeldungen zu machen.

Jugendlichen Angebote zur Distanzierung von bestimmen religiösen und politischen Strömungen zu machen, ist eine  präventive Aufgabe, die von fachkompetenten Sozialarbeiter*innen gemachten werden muss! Erfahrungen zeigen, dass Beratungs- und Ausstiegsprogramme, die bei Sicherheitsbehörden (Polizei oder Verfassungsschutz) angesiedelt sind, schlecht funktionieren. Das notwendige Vertrauen der potentiellen Klient*innen sowie ihrer Angehörigen und Bezugspersonen zu den Sicherheitsbehörden ist selten gegeben. Die Sicherheitsbehörden dürfen nur dann zuständig sein, wenn die Jugendlichen tatsächlich Straftaten begehen oder kurz davor stehen.

Wenn Schulleiter*innen „Umstände, die einen Verdacht begründen können“ der Polizei melden müssen, stelle ich mir angesichts der gegenwärtigen Furch vor Attentaten vor, dass sie vorschnell Verhaltensweisen von Schüler*innen melden, weil sich alle Beteiligten fürchten, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Damit aber kann betroffenen Schüler*innen erheblicher Schaden zugefügt haben.

Für richtig halte ich eine ausschließliche Zuständigkeit des Sozialressorts für den präventiven Umgang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich extremistischen Gedanken und Gruppen aus religiösen oder politischen Gründen zuwenden. Das bereits mit dieser präventiven Aufgabe betraute Projekt „kitab“ des Trägers Vaya e.V. sollte deshalb mit ausreichend vielen Stellen ausgestattet werden. Zudem braucht Bremen Schulsozialarbeiter*innen an allen Schulen.