Die Meinung am Freitag, 15.8.2014, von David Mohr

Ich meine, dass es in Deutschland keine zentrale Zensur der Berichterstattung weltpolitischer Ereignisse gibt.

15.08.14 –

Ich meine, dass es in Deutschland keine zentrale Zensur der Berichterstattung weltpolitischer Ereignisse gibt.

Viel Kritik gab es zu Beginn der Ukraine-Krise, als sie noch Krim-Krise hieß: Die Berichterstattung in den deutschen Medien, auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, sei zu einseitig. Es finde eine Lenkung der deutschen Öffentlichkeit über die „Staatsmedien“ statt, bei Facebook werden journalistisch fragwürdige Inhalte geteilt, die die vermeintliche „Wahrheit zeigen“, die „zurückgehalten“ wird. Egal ob bei der Ukraine-Krise oder aktuell beim Gaza-Konflikt: Oft wird selektiv wahrgenommen, was die Medien inhaltlich produzieren. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Berichterstattung im Allgemeinen zu kritisieren, ist richtig und angebracht, ein Beispiel dafür wäre die mediale Reaktion auf den Rechtsterror der NSU (Stichwort „Döner-Morde“). Ja, auch bei der Krim-Krise wurde viel verkürzt, viel weggelassen, viel dämonisiert: Putin sei der Böse und unberechenbar, der „Westen“ sei dem „Agressor Russland“ ausgeliefert. Woher kommt diese einseitige Berichterstattung in den ersten Wochen der Krise? Aus meiner Sicht ist die Antwort naheliegend: Keine Berichterstattung ist völlig objektiv, welch Irrglaube. Journalisten haben, wie alle, eine subjektive Sicht auf die Dinge, sie haben auch die Landkarte vor Augen und wissen, von welcher Himmelsrichtung aus sie berichten. Und nicht zu vergessen: Die politische Sozialisation, die man sicher nie so richtig abschütteln kann. Wenn dann die Ereignisse sich überschlagen, man die Politik und die Gesellschaft bei sich besser versteht, als die „der anderen Seite“, dann kommt eine solche Haltung zustande. Hinzu kommt noch, dass es natürlich für einen Journalisten schwierig ist, sich gegen den momentanen „Berichterstattungsmainstream“ zu richten, das hat aber wenig mit direkter Beeinflussung zu tun, sondern vielmehr aus Furcht vor unangenehmer, auch wieder öffentlicher Verurteilung, menschlich durchaus nachvollziehbar. An dieser Stelle ist letztendlich Mut gefragt, in der Regel kommen dann allerdings, und so war es auch in der Ukraine-Berichterstattung, die Stimmen der Gegenseite langsam aus der Deckung: Die viel zitierten „Russlandversteher“ meldeten sich zu Wort und haben versucht, die Sicht der anderen Seite zu schildern.

Das Medienmagazin ZAPP (seines Zeichens Magazin des „zentral gelenkten öffentlich-rechtlichen Rundfunks“) begann im April, die Berichterstattung zur Ukraine-Krise selbstkritisch zu beleuchten, und kam zu dem Schluss: zu einseitig. Aber ist dies böse Absicht, gar eine staatsgelenkte Berichterstattung? Beileibe nicht. Die Medienlandschaft in Deutschland ist sehr vielfältig – ich „wage“ daher die These, dass zentrale Zensur bzw. vereinheitlichte Berichterstattung in deutschen Medien nicht stattfindet. Gerne höre ich mir dazu eine Gegenmeinung in diesem Format an, dann aber kein Aufzählen von einzelnen, sicher zu verurteilenden Beeinflussungsversuchen, sondern darüber, welche Instanz es schafft, ein großes weltpolitisches Thema auf der ganzen Breite der Medienlandschaft hierzulande einseitig zu bearbeiten.

Da ist auch schon der Unterschied zur Berichterstattung in Russland, die sich elementar unterscheidet und nach großem Druck auf die letzten kritischen Redaktionen nahezu nur noch die Kremllinie kennt. Nahezu alle Massenmedien werden inzwischen direkt oder indirekt durch die russische Regierung kontrolliert. Ria novosti, als mal recht objektive Nachrichtenagentur, ist inzwischen Teil der Rossija Sewodnja, wie auch RT als russischer Auslandssender. Auch Rossija 1 ist ein staatlicher Fernsehsender unter Einfluss des Kremls. Nichts zu sehen in Russland von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit vielen Rundfunkanstalten in den Ländern (bzw. Föderationssubjekten), einem privaten Sektor, einem breiten Feld an Magazinen und Zeitungen von Spiegel, Focus, FAZ über Welt bis taz. Um auch hier nicht falsch verstanden zu werden: Sicherlich werden einzelne Dinge beeinflusst, es wird versucht, Einfluss zu nehmen, auch in Deutschland lassen sich viele Fälle aufzählen. Aber: Dies fliegt auf, dies hat Konsequenzen, bis hin zum Rücktritt eines Bundespräsidenten – auch wenn man durchaus die Haltung vertreten kann, dies sei übertriebene „Medienschelte“ gewesen.

 Wie stelle ich mir grünen Nachrichtenkonsum vor? Berichterstattung kritisch begleiten: ja. Aber nicht: reflexartiges Überhöhen einer „Gegenhaltung“, sie als „wirkliche Wahrheit“ hinzustellen, grade wenn sie nicht von „etablierter“ Stelle kommt. Wir sollten uns viel mehr darauf konzentrieren, die Medienkompetenz, auch bei uns selber, zu verbessern, und dazu gehört: Die Quellenvielfalt, die uns hier zum Glück zur Verfügung steht, zu nutzen, die Quellen aber auch immer kritisch zu hinterfragen, insbesondere wenn es sich um Herausgeber wie etwa die Deutschen Wirtschaftsnachrichten handelt (Dazu: http://indub.io/blog/2014/04/10/deutsche-wirtschaftsnachrichten/). Eins ist nämlich dank Pressefreiheit und Internet hier auch möglich: Jede und jeder darf und kann alles behaupten und unterstellen, widerlegen (mit oft dubiosen Argumenten/Belegen) und aufbauschen.

Politisches Ziel unserer Medienpolitik muss es daher sein, darauf hinzuwirken, dass es eine große Medienvielfalt gibt. Medienvielfalt muss in Deutschland vor allem regional gestärkt werden. Bei letzterem sind die Zustände – auch hier in Bremen – sicher nicht zufriedenstellend.

 David Mohr ist Mitglied des KV MÖV und stellvertretendes Mitglied im Rundfunkrat von Radio Bremen