Die Meinung am Freitag, 17.10.2014, von Zahra Mohammadzadeh

Ich meine, dass wir viel von Malala Yousafzai, der pakistanischen Menschenrechtsaktivistin, die jetzt mit Siebzehn den Friedensnobelpreis erhalten hat, lernen können.

17.10.14 –

Ich meine, dass wir viel von Malala Yousafzai, der pakistanischen Menschenrechtsaktivistin, die jetzt mit Siebzehn den Friedensnobelpreis erhalten hat, lernen können.

Mit dem Nobelpreis wurde ihr Eintreten gegen die Unterdrückung junger Menschen in Pakistan und für das Recht islamischer Kinder auf Bildung und Ausbildung gewürdigt. Als fünfzehnjährige Schülerin überlebte Malala ein Attentat der Taliban. Der Attentäter schoss sie auf der Heimfahrt im Schulbus nieder und fügte ihr schwere Verletzungen am Kopf und im Körper zu. Der Grund: seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte Malala sich für das Recht der Mädchen in Pakistan auf Schulbildung stark gemacht. Seit 2007 haben sie in Pakistan weit über 100 Mädchenschulen zerstört. Malala überlebte den Mordversuch nur mit der Hilfe britischer Ärzte. Trotz des Attentats und weiterer Morddrohungen hat sie ihren weltweit wahrgenommenen Kampf für das Recht von Mädchen auf Bildung bis heute entschlossen weitergeführt.

Auch in Deutschland werden Mädchen – durchaus nicht nur im muslimischen Umfeld – bei der Teilnahme an eigenständiger und chancengleicher Bildung und Ausbildung behindert. Wenn man in Deutschland für ihr Recht auf gleiche Bildungschancen eintritt, wird man zwar nicht mit Gewalttaten bedroht. Angesichts der rasant angestiegenen Einwanderung hat sich aber etwas geändert. Ein deutlicher einwanderungsskeptisches Klima richtet sich vor allem gegen Flüchtlinge sowie auch gegen Roma, die aus anderen EU-Staaten ins Land kommen. Es sorgt doch für einen gewissen Druck, nicht allzu sehr auf volle Bildungsteilhabe auch für minderjährige Migrantinnen und Migranten zu pochen. Dieses Menschen- und Kinderrecht sollte doch eigentlich in der heutigen Welt und Zeit eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es auch, nur nicht für alle. Ich meine, wir sollten uns ein Beispiel an dem Mut und der Unbeirrbarkeit nehmen, mit denen Malala Yousafzai im Pakistan dafür eintritt. Wenn wir das tun, sollte es uns etwas leichter fallen, trotz mancher ablehnenden Meinung konsequent für Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe, auch für die Flüchtlinge, aufzustehen. Schon vor der gegenwärtigen Flüchtlingsproblematik waren die Bildungschancen junger Flüchtlinge von vielen Faktoren abhängig sind, die sie nicht selber beeinflussen können. Nur wenigen minderjährigen Flüchtlingen gelang es, Anschluss zu bekommen und unter Nutzung komplizierter Hilfsstrukturen im deutschen Bildungssystem erfolgreich zu sein. Aber die Hoffnungen und Erwartungen junger Flüchtlinge sind die gleichen, wie die der hiesigen Jugendlichen. Die meisten möchten eine gute Ausbildung, Anerkennung, Geld verdienen, eine Familie gründen, einen Traumberuf ausüben. Sie verstehen nicht, warum sie andere Rechte haben sollten als ihre Altersgenossen von hier. Sie fühlen sich nicht als „Asylsuchende" oder „Geduldete" – sie fühlen sich schlicht als Kinder oder Jugendliche gerade so wie die Anderen.

Die jetzigen Probleme, für Flüchtlinge eine menschenwürdige Unterkunft und die dazu gehörigen Alltagsbedingungen zu erlangen und sicherzustellen, ja überhaupt nur dafür einzutreten, machen Angst und Sorge. Wie soll es nur werden, wenn in naher Zukunft noch mehr Flüchtlinge zu uns drängen? Diese Lebensbedingungen wirken direkt auch die Entwicklungs- und Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen ein. Herkunft und sozialer Status, und vor allem Armut – all dies beeinflusst in Deutschland den schulischen Werdegang im größten Maße. Das belegen bildungssoziologische Untersuchungen regelmäßig. Für Flüchtlingskinder und -jugendliche fehlen nicht nur zielgruppenorientierte pädagogische und didaktische Konzepte. Eine unfreundliche Lebenswelt behindert ihre Entwicklung an einem Ende, am anderen blockieren sie die mangelnden rechtlichen und sozialen Voraussetzungen ihrer Versorgung in diesem Land.

In meiner Zeit als Landschullehrerin im Iran war ich vor vielen Jahren beeindruckt von dem Ernst, der Wissbegierde und dem Ehrgeiz, mit dem sich „meine" Kinder trotz dürftigster materialer Schulbedingungen dem Lernen zuwandten. Ähnliche Erfahrungen werden aus afrikanischen Schulen berichtet. Dass ihnen hier, in dem in ihren Heimatländern so hoch angesehenen Land, nicht die erwarteten besseren Voraussetzungen und Bedingungen gerade in der ersten Zeit des Aufenthaltes zuteilwerden, empfinden viele minderjährige Flüchtlinge als tiefe Enttäuschung.

Dass das pakistanische Mädchen Malala Yousafzai den Friedensnobelpreis erhielt, hat in ihrem Heimatland Jubel ausgelöst. In ihrer früheren Schule feierten und tanzten die Kinder vor Freude. Sie fühlten sich gemeinsam mit ihrer ehemaligen Mitschülerin gewürdigt. Auch hier bei uns haben viele Menschen das Ereignis mit Befriedigung wahrgenommen. Wir sollten es zum Anlass und Ansporn nehmen, trotz „Gegenwinds" – und auch trotz des zu verurteilenden Fehlverhaltens einer winzigen Minderheit – mehr für Integration und Partizipation auch der Flüchtlingskinder und -jugendlichen zu tun.

Kategorie

Migration, Integration, Asyl