Die Meinung am Freitag, 19.09.2014, von Wilko Zicht

Ich meine, dass wir gut daran täten, in Sachen Legalisierung von Drogen mutiger voranzuschreiten.

19.09.14 –

Ich meine, dass wir gut daran täten, in Sachen Legalisierung von Drogen mutiger voranzuschreiten.

In der vorigen Woche hat der Senat seine Sichtweise zu „Aktuellen Entwicklungen der Drogenpolitik in Bremen“ kundgetan. Drugchecking-Angebote, damit KonsumentInnen Vergiftungen und Überdosierungen vermeiden können? „Der Senat sieht für solche Angebote in Bremen derzeit keinen Bedarf.“ Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis? „Die Durchführung eines eigenen Projekts für Bremen plant der Senat nicht.“ Eine Bundesrats-Initiative zur Entkriminalisierung von Drogen? „Derzeit sieht der Senat keine Veranlassung Initiativen zur Änderung des BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zu ergreifen.“

 Das sind ziemlich enttäuschende Antworten für einen nicht ganz unmaßgeblich auch von Grünen getragenen Senat. Erschreckenderweise wurden zudem in den letzten fünf Jahren fast 11.000 Fälle von bloßem Besitz/Erwerb von Cannabis in Bremen polizeilich verfolgt. Die Grenzen für „geringe Mengen“, bei der von einer strafrechtlichen Verfolgung in der Regel abgesehen wird, liegen in Bremen für fast alle Drogen am unteren Ende der in anderen Bundesländern üblichen Grenzwerte; bei Ecstacy ist dieser in Hessen beispielsweise fast sieben Mal so hoch wie in Bremen.

 Aus guten Gründen fordern wir Grüne auf Bundesebene für „Drogen wie Cannabis“ – also mindestens auch für die vielen illegalen Drogen mit ähnlichem oder geringerem Gefährdungspotenzial – eine Entkriminalisierung von Eigengebrauch und privatem Anbau sowie eine legale Abgabeform über lizenzierte Fachgeschäfte. Immer mehr Menschen dämmert, dass die bisherige Verbotsstrategie in der Drogenpolitik auf ganzer Linie gescheitert ist: Sie schreckt kaum jemanden vom Konsum ab, vergrößert die Gefahr von gesundheitlichen und sozialen Schäden für die Betroffenen, fördert organisiertes Verbrechen und Beschaffungskriminalität, vereitelt einen wirksamen Jugendschutz (der wichtig ist!) und beschneidet sinnlos die Freiheit der vielen jungen und älteren Erwachsenen, die maß- und lustvoll Drogen konsumieren, ohne dass dies gravierende negative Folgen für ihre Gesundheit oder ihr (Berufs-)Leben hat.

 Aufgrund dieser völlig verfehlten Politik verschwenden wir seit Jahrzehnten Unmengen an Geld für die Strafverfolgung und verzichten gleichzeitig auf die beträchtlichen Steuereinnahmen, die bei einem legalen Verkauf von Drogen zu erzielen wären. Dabei sind die bisher mit einer Liberalisierung im Ausland gemachten Erfahrungen durchweg positiv. Wichtige Impulse für die Debatte in Deutschland kamen in den vergangenen Jahren übrigens nicht zuletzt von Bremer WissenschaftlerInnen, während man dies von der bremischen Politik leider nicht behaupten kann. Nachdem das Thema Drogenlegalisierung in unseren Wahlprogrammen für die Bürgerschaftswahlen 2007 und 2011 keine Rolle spielte, wird es im nun vorliegenden Programmentwurf 1.0 zur Wahl 2015 immerhin vorsichtig angesprochen (ab Zeile 1549).

 Gewiss, der landespolitische Spielraum in der Drogenpolitik ist aufgrund der repressiven Bundesgesetzgebung recht klein. Doch hier geht es auch um eine gesellschaftspolitische Grundsatzdiskussion. Solche Debatten zu führen, hat uns noch immer viel Unterstützung eingebracht. Als Regierungspartnerin in einem Haushaltsnotlageland können wir leider viele politische Schwerpunkte nicht so setzen, wie wir es gerne täten, weil einfach das Geld fehlt. Umso leidenschaftlicher sollten wir uns auf Themen stürzen, bei denen eine gute Politik nicht nur nichts kostet, sondern dem Staat sogar – wie hier – hohe Mehreinnahmen brächte, die dann in anderen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden könnten.

 Auch die Erfahrungen im letzten Bundestagswahlkampf sollten uns zu mehr Mut in dieser Frage veranlassen. Ich wüsste keine effektivere Möglichkeit, das falsche Image einer Verbotspartei wieder abzustreifen, als bei der Entkriminalisierung von Drogenkonsum wieder für alle sichtbar eine energische Vorreiterrolle zu übernehmen. Ein schöner Auftakt dafür kann die Veranstaltung zum Thema Drogenpolitik sein, die unsere grüne Bürgerschaftsfraktion für Mittwoch, den 22. Oktober (19:30 Uhr) plant.

Wilko Zicht ist Mitglied des Kreisverbandes Bremen-Ost.