Die Meinung am Freitag, 19.12.2014, von Zahra Mohammadzadeh

Ich meine, dass es nicht nur einen einzigen Weg zur Integration gibt, viele Wege führen zu diesem gesellschaftspolitischen Ziel, ebenso viele wie nach Rom. Der Weg, den die CSU empfiehlt, gehört nicht dazu.

19.12.14 –

Ich meine, dass es nicht nur einen einzigen Weg zur Integration gibt, viele Wege führen zu diesem gesellschaftspolitischen Ziel, ebenso viele wie nach Rom. Der Weg, den die CSU empfiehlt, gehört nicht dazu. Man stelle sich vor: eine Partei setzt das Betreuungsgeld durch, unmissverständlich steht dahinter nicht zuletzt das Kalkül, dass man mit diesem Geld Migrantenfamilien, die auf jeden Pfenning angewiesen sind, dazu bewegt, ihre Kinder aus den Kitas herauszuhalten. Gleichzeitig unternimmt die gleiche Partei Drohgebärden (nur auf öffentlichen Druck hin neuerdings
abgeschwächt), um diese Familien zu zwingen, auch in den eigenen vier Wänden Deutsch zu reden.
Ist das eine Eselei unverbesserlich fremdenfeindlicher Provinzpolitiker oder sind es gefährliche Anfänge, denen man wehren muss? Anfänge einer rechtsorientierte "Zwangspolitik", die nicht einmal vor der Privatsphäre Halt macht?

Wir haben es beim Betreuungsgeld erlebt. Wir erlebten es erneut bei der Maut. Wir erleben es wiederum bei der gegenwärtigen Verschärfung des Aufenthaltsrechts und die Abschottungspolitik gegenüber den Balkanländern.

Die CSU ist und bleibt der Scharfmacher in der großen Koalition und die andern ziehen brav mit. Und ganz nebenbei basteln Seehofer und Co. an einem allgemeinen Klima, in dem die Ablehnung der Flüchtlinge salonfähig wird. Vergangene Woche wurde bei Nürnberg ein Brandanschlag auf drei fast
bezugsfertige Flüchtlingsunterkünfte verübt. In die Freude darüber, dass kein Mensch zu Schaden kam, mischt sich die Besorgnis, ob in Bayern ein weiteres Hoyerswerda droht.

So wichtig der deutsche Spracherwerb ist, er ist nicht der einzige Schlüssel, um das Tor der Integration zu öffnen. Aufenthaltserlaubnis, Schutz vor Fremdenfeindlichkeit, Ermutigung und rechtliche Möglichkeiten zur deutschen Staatsangehörigkeit, Bildungschancen, vor allem aber Zugang
zu Arbeit sind ebenso wichtig. Motivation, diese Schlüssel in die Hand zu nehmen, ist bei den allermeisten Flüchtlingen vorhanden, allein: es mangelt in weiten Teilen der Bundesrepublik immer noch an ernst gemeinten Angeboten der Aufnahmegesellschaft. Die Bremer Erfahrung zeigt, wer partizipieren kann, wird auch alle Möglichkeiten nutzen. Auch die, Deutsch zu lernen. Anstatt vor dem Hintergrund brennender Flüchtlingswohnungen eine Deutschpflicht rund um die Uhr zu fordern, sollten die CSU und ihre Koalitionspartner lieber endlich dafür sorgen, dass neu ankommende
Flüchtlinge Zugang zu Integrationskursen bekommen.

Ohnehin lässt sich Sprache nicht verordnen. Wer wirklich motivieren will, muss Angebote machen, muss Zugang erleichtern. Diese Angebote dürfen aber keine Konkurrenz zur Erstsprache aufbauen. Die Sprachforschung besagt, dass die Familiensprache das sichere Fundament ist, von dem aus sich Menschen in die fremde Sprachumgebung wagen. SprachpädagogInnen und Eltern machen immer
wieder die Erfahrung, dass Kinder mühelos mehre Sprachen gleichzeitig lernen und spielerisch anwenden können. Diese wunderbare, fürs spätere Leben so wertvolle Fähigkeit sollte man fördern. Unsere Zukunft ist doch Europa, ein Kontinent mit jetzt schon weit über hundert Sprachen, allein 24
davon Amtssprachen in der EU!

Das Wort Mehrsprachigkeit, so eng mit dem europäischen Wert der Vielfalt verbunden, sucht man vergeblich in dem „Leitantrag" der CSU. Sprachförderung kommt zwar vor, sie soll aber nur demjenigen geboten werden, der „ohne Sprachkenntnisse einreisen oder hier bleiben" darf. Im
gleichen Atemzug wird der Nachzug von Familienangehörigen an den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise gebunden. Wer hier einen Widerspruch sieht, will uns übel, so Seehofer, der immer, wenn er das Wort Ausländer in den Mund nimmt, zugleich den strafenden Zeigefinger erhebt. Deshalb widmet sich der Leitantrag auch ausführlich dem angeblich
„Sozialtourismus". Übrigens bereits 2013 von Sprachwissenschaftlern zum Unwort des Jahres erklärt, dessen Zweck es einzig sei, Stimmung gegen unerwünschte MigrantInnen insbesondere aus Südosteuropa zu machen. Vielleicht täte auch der CSU ein bisschen Sprachförderung gut.

Kategorie

Migration, Integration, Asyl