Die Meinung am Freitag, 20.07.12, von Dietmar Bothe (KV Kreisfrei/Findorff)

Ich meine, dass das Kölner Urteil zur Beschneidung längst überfällig ist, und will damit ausdrücklich der von Zarah am Freitag, 6.7., geäußerten Meinung widersprechen. Als ich in den Nachrichten davon gehört habe, hab ich mich sehr gewundert, dass solch ein Urteil überhaupt notwendig ist, ich war der Auffassung, dass so etwas in Deutschland grundsätzlich verboten sei. Da hab ich mich geirrt.

20.07.12 –

Ich meine, dass das Kölner Urteil zur Beschneidung längst überfällig ist, und will damit ausdrücklich der von Zarah am Freitag, 6.7., geäußerten Meinung widersprechen. Als ich in den Nachrichten davon gehört habe, hab ich mich sehr gewundert, dass solch ein Urteil überhaupt notwendig ist, ich war der Auffassung, dass so etwas in Deutschland grundsätzlich verboten sei. Da hab ich mich geirrt.

Die Entfernung von Körperteilen bei Personen, die sich in keiner Weise dagegen wehren können, ohne jedweden medizinischen Sinn, ist Körperverletzung, da geht kein Weg dran vorbei, mag er auch noch so religiös geprägt sein. Kein Junge, egal, ob er erst ein paar Tage alt ist oder zwei oder 8 Jahre, kann sich über die Bedeutung dieses archaischen Rituals bewusst sein. Sicher, es wird ihm eingeredet, wie wichtig das sei, er werde dadurch zum Mann, zum richtigen Muslim, er gehe als Jude einen Bund mit Gott ein, oder was auch immer, und ein Fest und tolle Kleider und Geschenke gibt's obendrein. Und vermutlich wird er mit einem gewissen Stolz das Ergebnis betrachten, wenn der Schmerz nachgelassen und der Verband abgenommen ist.

Zarah argumentiert, dass das Loch für die Ohrringe, welches ein kleines Mädchen, vielleicht auch gegen seinen Willen, verpasst bekommt, ein vergleichbarer, nur nicht-religiös motivierter Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Mädchens ist. Man kann durchaus darüber streiten, ob es sich dabei ebenfalls um Körperverletzung handelt. Nur: Die Folgen sind gänzlich andere. Will die spätere Frau keine Ohrringe mehr tragen, nimmt sie sie ab, das Loch im Ohr wächst allmählich zu und es bleibt allenfalls eine kleine Narbe. Die Vorhaut aber ist weg, ein für allemal. Auch das Argument, Studien hätten eine Risikominderung bei der HPV- oder auch HIV-Übertragung gezeigt, zieht nicht. Welcher Junge im Alter von 8 Tagen oder 8 Jahren hatte schon Geschlechtsverkehr? Im Übrigen sind solche Studien oftmals vor dem Hintergrund des gewünschten Zieles erstellt und es gibt viele Studien, die das Gegenteil belegen.

Aber ist der Junge mit der Beschneidung integriert? Und wenn ja, wo? Doch allenfalls per Zwangsmitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft, aus der er später nur mit großen Schwierigkeiten herauskommt oder von der ihm ohne Beschneidung gar die Ausrottung angedroht wird, wie es das alte Testament formuliert. Aber in Deutschland? Ist es für ein "normales" jüdisches oder muslimisches Leben in unserem Land wirklich unabdingbar, dass Jungen verstümmelt werden? Doch wohl kaum. Und wie würden selbstbestimmte, emanzipierte Frauen hierzulande reagieren, wenn eine in Deutschland aktive Religionsgemeinschaft kleinen Mädchen die Schamlippen abschnippeln würde, nur weil in einem uralten heiligen Buch von einer Prophetin berichtet wird, die ohne diese auf die Welt gekommen sei?

Was ist mit dem jungen Mann, der sich später integrieren will in die deutsche oder irgendeine andere Gesellschaft, aber nicht als Muslim, sondern als Christ, als Hindu oder als Atheist? Was ist mit dem heranwachsenden Juden, der beim ersten Kontakt mit einem Mädchen feststellt: Da fehlt doch was! Und der dafür vielleicht von der Freundin verlacht wird? An die Zukunft der Jungen in einer  sich über die Jahrhunderte doch deutlich veränderten Gesellschaft wird bei diesem Ritual nicht  gedacht. Es geht einzig darum, festzulegen: Du bist einer von uns, ein für allemal!

Das Gericht hat, denke ich, hier auf einen weit wichtigeren Punkt hingewiesen als den Verlust eines Stückchens Haut, nämlich auf die Freiheit, selbst und bewusst zu entscheiden, wo Mann (und Frau) hingehört. Dies kann kein Kind beurteilen, schon gar nicht, wenn es nicht einmal gefragt wird. Aber ein junger Mann, der sich dafür entscheidet, Muslim oder Jude zu sein, kann das Beschneidungsritual problemlos an seinem 18. Geburtstag nachholen. Daher meine ich, dass GRÜNE Politik solch archaisch-patriarchalischen Initiationsriten keinesfalls unterstützen sollte.

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Innen/Recht