Die Meinung am Freitag, 20.6.2014, von Henrike Müller

Ich meine, dass „Bologna" deutlich besser geht.

20.06.14 –

Ich meine, dass „Bologna" deutlich besser geht.

Vor inzwischen 15 Jahren sprachen sich Wissenschaftsminister aus 29 europäischen Staaten für die Einführung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums aus – in Bologna. Daraufhin ging ein neuer Schwung, Aufbruch und Kreativität durch die Hochschullandschaft. Inzwischen sind die Kritiken laut und divers, die Enttäuschung bei Lernenden und Lehrenden weit verbreitet, die Überforderung täglich zu spüren – bei Studierenden sowie Wissenschafts- und Verwaltungspersonal.

Dabei waren Bologna-Zielsetzungen wirklich visionär, u. a. sollte erreicht werden:

  • die Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse
  • die Schaffung eines zweistufigen Systems von berufsqualifizierenden Studienabschlüssen
  • die Förderung der Mobilität durch die Beseitigung von Mobilitätshemmnissen
  • Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätsentwicklung
  • die studentische Beteiligung in allen Gremien auf allen Ebenen

Doch was finden wir heute zunehmend in den Hochschulen: überstrukturierte Studiengänge, zu hohe Arbeitsbelastung der Studierenden und in den Prüfungsämtern, zu wenig Zeit für studentische Gremienarbeit, mangelnde Raum- und Sachausstattung, Prüfungen am Fließband, mangelhafte Anerkennungsquoten, soziale Spaltung der Studierenden und stagnierende Auslandsmobilität – das Gegenteil der Idee von Bologna! Eines der eklatantesten Probleme ist die fehlende soziale Öffnung der Hochschulen. Kinder aus Nichtakademikerhaushalten, Studierende mit Kindern oder Berufstätige sind an Hochschulen eine Seltenheit und können, wenn sie es an die Hochschule geschafft haben, in den seltensten Fällen ein Auslandstudium einbauen.

Was also brauchen wir? Die Einsicht, dass eine der größten Hochschulstrukturreform bei chronischer Unterfinanzierung der Hochschulen nicht gelingen kann. Eine differenzierte Debatte darüber, welche der o. b. Situationen aufgrund der Bologna-Reform oder aufgrund der Unterfinanzierung zu beklagen sind. Und vor allem: endlich eine politische Debatte, in der die Probleme offen und deutlich benannt und nicht verschleiert und kaschiert werden. Eine Debatte in der die Kritiken und Proteste von Studierenden, Lehrenden und VerwaltungsmitarbeiterInnen diskutiert werden. Bisher vernimmt man vor allem Schönfärberei á la „so schlimm ist es doch nicht, an der ein oder anderen Stelle müssen wir ein wenig nachbessern." (So im Übrigen weitgehend auch in der gestrigen Bürgerschaftsdebatte zum Thema). Um Bologna – diese wunderbare Vision – doch noch zu einem Erfolg verhelfen zu können, braucht es einen neuen Schulterschluss von Bund und Ländern, Hochschulen und Studierenden, Arbeitgebern und Gewerkschaften, die sich jetzt gemeinsam auf einen Kurswechsel verständigen und folgende Änderungen realisieren müssen.

  1. Anerkennung des Bachelor als ersten vollwertigen Abschluss, das gilt für den öffentlichen Dienst wie den privaten Arbeitsmarkt – und zwar über Praktikumsstellen hinaus!
  2. Entschlackung der Curricula, Reduzierung des Workload und der Prüfungsdichte
  3. Verlängerung des Bachelorstudiums auf mind. 7 Semester
  4. Schaffung von Möglichkeiten eines Teilzeitstudiums für Eltern und Berufstätige
  5. Flächendeckende Verbesserung der Studien- und Lehrbedingungen, dass betrifft die Raum- und Sachausstattung ebenso wie Freiraum und Zeit zum Lernen und Lehren
  6. Entbürokratisierung der Prüfungs- und Leistungsanerkennungspraxis
  7. Verbesserung der Qualitätskontrolle, Erhöhung der Transparenz und Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse

Kategorie

Bildung