Die Meinung am Freitag, 23.09.2016, von Anja Wedig

Ich meine, dass gerade auch Parteien in Regierungsverantwortung über neue Entwicklungen nachdenken -und sie anstoßen- müssen.

22.09.16 –

Ich meine, dass gerade auch Parteien in Regierungsverantwortung über neue Entwicklungen nachdenken -und sie anstoßen- müssen.

 

Die Grünen sind keine kleine Partei mehr. Weder in den Zahlen, noch in ihren Inhalten. Bedauern wir, dass Klimaschutz und Atomausstieg im Mainstream angekommen sind? Doch nur, weil es uns nicht mehr schmückt, sagen zu können, womit wir recht haben, ohne dass alle anderen abwinken und uns desillusionieren. Denn die Frage lautet jetzt nicht mehr ob, sondern: wie?

Ich denke, dass wir in den Bereichen Umwelt, Bildung, Frieden (innerer wie äußerer) genauer auf unsere Ziele achten müssten. Ohne ausgehandelte Kompromisse nicht wertzuschätzen, müssen wir in diesen Grundfragen erkennbar bleiben. Wir müssen Politik nachhaltiger denken und für die Zukunft machen, nicht für den Stammtisch, auch nicht für den grünen.

Konkret möchte ich, dass natürlich über Sinnhaftigkeit eines OTB bei geänderten Rahmenbedingungen diskutiert werden darf, kann, soll und muss. Ich möchte, dass sich Grüne nicht nur auf ein vom BUND erwirktes Gerichtsurteil reagieren sondern selbstständig die dort genannten Prioritäten setzten.

Wenn die Basis einer Partei einschließlich ihres Landesvorstandes sich dessen vergewissert, was richtig ist und was falsch wäre, dann dient das im besten Falle zur Klärung von Sachverhalten, und nicht zur Koalitionskrise.

Denn: Grüne Senator*innen dürfen immer noch ihre Ämter ernstnehmen und eigene Entscheidungen treffen. Grünen Abgeordneten steht es immer noch frei, ihrem Auftrag nachzugehen und nach ihrer Fasson abzustimmen.

In beiden Fällen kann es jedoch nicht schaden, wenn zumindest das aktuelle Grüne Gewicht und Gesicht bekannt sind, und sie nicht nur ein Raunen und Maunzen der rhetorisch Aktiven erreicht, in der Halböffentlichkeit von Facebook und Straßenecke. Es ist wichtig zu wissen, wo die Mehrheit der Grünen in den Fragen steht. Dazu muss es in Worte gefasst werden. Das ist nicht politisch gefährlich.

Es ist politisch durchaus von Nutzen, sich seines Verstandes zu bedienen und nicht einer Vernunft zu gehorchen, die bloß der Vermeidung von Schwierigkeiten dient.

Und ich traue es allen unseren Amts- und Mandatsträger*innen zu, dann, nach Debatte sowohl in der Partei, als auch mit dem Koalitionspartner, ihre Entscheidungen sinn- und verantwortungsvoll zu treffen.

Das muss auch klar sein: Sie haben eine andere Rolle als die Basis. Sie müssen abwägen und müssen dann, auch in unserem Auftrag, handeln und aushandeln, um demokratisch Politik zu machen. Stillstand wäre keine Option.

Doch reicht es mir nicht, zu meinen, dass eine SPD -vielleicht- zu empfindlich sei, um bestimmte Fragen hören zu müssen und sie deswegen lieber nicht zu stellen. Ich glaube nicht, dass etwas Taugliches passiert, wenn man auf die vermeintlichen Gefühle des Anderen übermäßig Rücksicht nimmt. (Wissen wir ja auch aus anderer Beziehungsarbeit).

Besteht das Problem denn wirklich darin, dass sich der Senat nicht einheitlich zeigt, oder sind die SPD-Bauchschmerzen nicht doch einem potentiellen Grummeln möglicher Stammwähler geschuldet, wenn sie diejenigen welchen wären, die sich entscheiden müssten, weil der Schwarze Peter zumindest nicht ein Grüner wäre?

Absurd wäre jedenfalls, wenn sich dieses auf uns, die andere Partei mit den anderen Schwerpunkten auswirkte.

Dass die Kompromisse in Zukunft schwerer finden zu sein werden, ist uns allen klar, gerade wieder nach Berlin ablesbar. Und sie mühsam sind und wehtun werden. Darum sollten wir uns durchaus ein bisschen mehr ins Profil drehen. Dann können alle besser erkennen, womit sie bei uns zu rechnen haben. Auch, und gerade wenn wir in den Regierungen beteiligt sind und sein wollen. Denn da gehören wir hin, um Blödsinn zu verhindern und um zwar nicht alles durchsetzen, aber vieles erreichen zu können.