Die Meinung am Freitag, 23.11.2012, von Sülmez Dogan (MdBB und Stadtverordnete Bremerhaven)

Umweltrechtsbehelfsgesetz: Die Bundesregierung ignoriert die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und beschränkt die Beteiligungsrechte von BürgerInnen.

23.11.12 –

Umweltrechtsbehelfsgesetz: Die Bundesregierung ignoriert die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und beschränkt die Beteiligungsrechte von BürgerInnen.

Ich meine, dass die Bundesregierung nach wie vor an altem Obrigkeitsdenken festhält. Anstatt die geforderten Beteiligungsrechte europakonform zu erweitern, nutzt die Bundesregierung die Rechtswidrigkeit des Umweltrechtsbehelfsgesetzes, um die Beteiligung bei umweltrechtlichen Zulassungsentscheidungen weiter einzuschränken.

Der Europäische Gerichtshof hatte bereits im Mai 2011 das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG), welches Vereins- bzw. Verbandsklagen gegen bestimmte umweltrechtliche Zulassungsentscheidungen für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen vorsieht, für europarechtswidrig erklärt. Entgegen europäischer Vorgaben sah das Gesetz vor, dass ein Umweltverband nur gegen die Verletzung von Regelungen klagen kann, die dem Schutz Einzelner dienen, nicht jedoch in Bezug auf Regelungen, welche ausschließlich den Schutz der Allgemeinheit bezwecken (z.B. Habitat-Richtlinie).

Bremen war durch diese geänderte Rechtslage überall dort betroffen, wo von bremischen Planfeststellungsverfahren auch europäisches Umweltrecht berührt wird. Im Rahmen eines Fachgesprächs hatte ich zusammen mit Hermann Kuhn und Maike Schaefer im Mai 2012 dazu eingeladen, mit Bremischen Umweltverbänden und Behörden die geänderte Rechtslage und den Umgang mit der neuen Situation zu besprechen. Dort hatte Frau Professor Schlacke die Rechtslage dokumentiert und die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung betont.

Diese Notwendigkeit hat die Bundesregierung nun genutzt, um einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der ausschließlich den vom BDI formulierten Interessen Vorschub leistet, die Beteiligungsrechte von BürgerInnen und Umweltvereinen jedoch weitgehend beschneidet. Mit der Novellierung sollen Beteiligungsfristen wie die Begründungsfrist für Klagen stark verkürzt und der Rechtschutz der Kläger massiv eingeschränkt werden. Dies gilt nicht nur für Umweltverbände, sondern auch für Individualkläger, also für jeden einzelnen Bürger. Damit sollen schlecht geplante Projekte, bei denen - absichtlich oder fahrlässig - bestehende Rechtsvorschriften ignoriert werden, schneller durchgewunken werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch dieser Gesetzesentwurf gegen europarechtliche Vorgaben verstößt und rechtswidrig ist.

Ich finde es äußerst bedauerlich, dass sich Schwarz-Gelb vehement weigert, die Bürgerbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben zu akzeptieren. Dabei zeigt die Praxis, dass umfassende Beteiligungs- und auch spätere Klagerechte für Umweltverbände und Bürgerinnen und Bürger dazu beitragen, dass sorgsamer geplant wird, dass alle umweltrechtlichen Vorschriften eingehalten werden und die Akzeptanz der Projekte steigt. Hiervon profitieren letztendlich alle Beteiligten. Der jetzige Weg der Bundesregierung schadet dagegen der Umwelt, der Rechtssicherheit und der Demokratie.

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Kategorie

Umwelt