Die Meinung am Freitag, 24.4.2015, von Hermann Kuhn

Ich meine, dass die Wende zu einer besseren und zukunftsfähigen Politik immer damit beginnt, dass man die Dinge beim Namen nennt.

24.04.15 –

Befreiung, Aggression, Völkermord: Die Dinge beim Namen nennen!

Ich meine, dass die Wende zu einer besseren und zukunftsfähigen Politik immer damit beginnt, dass man die Dinge beim Namen nennt. Auch wenn die Widerstände groß sind und man sich dafür nicht sofort Freunde macht. 40 Jahre hat es in Deutschland gedauert, bis ein Bundespräsident die einfache Wahrheit aussprach, dass der Zusammenbruch des Deutschen Reiches für die Menschen in Europa und auch in Deutschland eine Befreiung war – eine Befreiung gerade durch die radikale Niederlage und nur deswegen überhaupt möglich.

100 Jahre sind vergangen, seit die Machthaber des Osmanischen Reiches den Völkermord an ihrer armenischen Bevölkerung begannen mit dem Befahl: „Das Verschickungsziel ist das Nichts." Bis heute weigert sich die türkische Regierung, dieses millionenfache Leid und Unrecht als das zu bezeichnen, was es war: die absichtsvolle Vernichtung eines Bevölkerungsteils, der damals nicht in die Träume eines ethnisch reinen türkischen Staates passte. Es ist gut, dass die grüne Bürgermeisterin Karoline Linnert in Bremen am Gedenken für die Opfer teilnimmt und dass die grüne Bundestagsfraktion in ihrem Antrag für den Bundestag die Dinge beim Namen nennt; eine Schande, dass die Bundesregierung bis gestern immer noch Angst hatte, die Wahrheit auszusprechen.

Es ist eine Tatsache, für die sich Putin inzwischen ja auch selbst lobt, dass Russland die Krim mit Waffengewalt annektiert hat; es ist eine Tatsache, dass Russland die Separatisten in der Ostukraine mit Waffen und Personal ausrüstet und sie politisch lenkt. Russland mischt sich massiv und gewaltsam in die Souveränität der Ukraine ein – und nicht umgekehrt! Ist es „Scharfmacherei", „Kalter Krieg", die Dinge so beim Namen zu nennen? Nein, es ist nur unentbehrliche Voraussetzung dafür, eine angemessene Antwort zu finden. Wie die Antwort dann aussehen soll, ist eine andere Frage. Im Krieg in der Ukraine ebenso wie bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Kategorie

Europa