Die Meinung am Freitag, 26.06.2015, von Meret Trapp

26.06.15 –

Ich meine, dass wir uns als Grüne Partei und besonders als Grüne Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit den parteiinternen Strukturen und Machtverhältnissen nicht entziehen können und dass über anstehende Reformen und Grundsatzfragen offen und transparent diskutiert werden muss.

Um zu erläutern, wo aus meiner Sicht Probleme liegen, möchte ich zu dem Ablauf der Landesmitgliederversammlung am Montag, den 22.06.2015, Stellung beziehen.

Mit dem von der Landesmitgliederversammlung am 2. Juni mehrheitlichen angenommenen Antrag ergingen an die Verhandlungskommission unter Voraussetzung eines ergebnisoffenen Prozesses mehrere konkrete Aufträge, unter anderem die Positionierung zu den Ressortzuschnitte, die von der SPD vorgeschlagen worden sind, und die Überprüfung der den Grünen zugeschriebenen Kernkompetenzen. Für die Mitgliederbeteiligung ist als geeignete Form eine Art Welt Café vorbereitet worden inklusive Plakate, auf die wir in Kleingruppen unsere Meinungen zu den sechs von der Verhandlungskommission vorgeschlagenen Modellen schreiben sollten.

Das Welt Café ermöglicht, dass sich tatsächlich alle Anwesenden an der Diskussion beteiligen können. Aus meiner Sicht hätte zu Beginn des Weltcafés eine klarere Vorstellung der unterschiedlichen Modelle ermöglicht, dass für alle Mitglieder eine gemeinsame Diskussionsgrundlage geschaffen wird. Um ein messbares Meinungsbild zu ermitteln, welches der Verhandlungskommission eine Richtung aufzeigen könnte, fehlte es an Klarheit. So kann ich nur hoffen, dass die kurzen Debatten den Mitglieder der Verhandlungskommission mit den Anwesenden jenen diese Priorisierung ermöglicht. Für die LMV bleibt der Eindruck: Alles kann, nichts muss. Und das haben wir gerade basisdemokratisch legitimiert.

Die Verantwortung an dem z.T. chaotischen anmutenden Ablauf jetzt bei einer jeden Tag hart arbeitender Verhandlungskommission zu sehen, ist sicher falsch. Einen eigentlich langwierigen Entscheidungsprozess in laufenden Koalitionsverhandlung an einem einzigen Abend (partei-)öffentlich durchzuführen, sicherlich nicht ratsam. Einerseits hat das höchste Parteigremium am 2.Juni eine ergebnisoffene Überprüfung der Ressortzuschnitte durch die Verhandlungskommission und eine Mitgliederbeteiligung am Entscheidungsprozess beschlossen. Dann muss dies auch in geeigneter Form geschehen.

Andererseits ist die jetzt eingeforderte Positionierungsdebatte symptomatisch dafür, dass ein solcher Entscheidungsprozess zu einem geeigneten Zeitpunkt versäumt wurde. Als wir uns für ein bestimmtes Spitzenpersonal entschieden, war dies auch ein Bekenntnis zu bestimmten Ressortzuschnitten. Bevor der Wahlkampf begann und in Umfragen ein Verlust von 7 Prozentpunkten absehbar wurde, spätestens aber vor Beginn der Koalitionsverhandlungen, hätte über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung offen diskutiert werden können. Jetzt ist die Debatte über Ressortzuschnitte nicht von den amtierenden Senator_innen zu trennen.

Um nicht nur destruktiv meinen Unmut über das Gewesene zu äußern, möchte ich auch die Grundsatzfragen ansprechen, die der Wahlniederlage, den geäußerten Reformwünschen und dem bereits begonnenen Veränderungsprozess meiner Meinung nach zugrunde liegen.

  1. In den letzten Wochen wurde in den unterschiedlichen Versammlungen immer wieder das Thema Transparenz angesprochen. Transparenz und mitgliederöffentliche Entscheidungsfindung gehören zu den Fundamenten dieser basisdemokratischen Partei. Zugleich sind die Grünen hier in Bremen (früheres und hoffentlich zukünftiges) Regierungsmitglied und damit sind ebenfalls politische Interessen und Verpflichtungen verbunden. Wie gestalten wir die Transparenz politischer Entscheidungsprozesse, ohne zugleich diese Prozesse zu gefährden? Wie viel Intransparenz können wir für das Wohl der Partei (und bei der Umsetzung Grüner Politik auch für das Wohl der Bürger_innen) ertragen? Konkret: wie wird unser Spitzenpersonal nominiert?                                                                                                                                                             
  2. Die Landesmitgliederversammlung ist das höchste Parteigremium, dennoch zeigt sich hier immer öfter, dass es nicht der geeignetste Rahmen für eine alle mit einschließende Diskussion ist. Da sich bereits im Vorfeld in vielen unterschiedlichen Kreisen und Gremien Positionen herauskristallisiert haben, von und zu denen aber nicht alle Mitglieder in gleichen Maßen Kenntnis und Zugang haben, bedeutet dies für Diskussionen auf der Landesmitgliederversammlung ein Machtgefälle. Wie kann eine offene Diskussion geführt werden, in die sich alle Mitglieder gleichermaßen einbringen können? Welche internen Strukturen sorgen für die basisdemokratische Verankerung der hauptamtlichen Politiker_innen? Wie können Entscheidungsprozesse basisdemokratischer gestaltet werden? Oder reichen unsere bisherigen Instrumente eigentlich aus?                                                                                                                                                           
  3. Der von der Basis gewählte Landesvorstand agiert in dem Kräfteverhältnis Senat, Fraktion, Partei als einziger ehrenamtlich. Welche Vorteile hat es, die beiden Landesvorstandssprecher_innenposten als Ehrenamt zu betreiben mit einer geringen Aufwandsentschädigung? Welche Vorteile hätte eine hauptamtliche Tätigkeit? Wie viel würde das kosten?                                                                                                                   
  4. Zum ersten Mal fand während der Koalitionsverhandlungen eine Landesmitgliederversammlung statt. Zum ersten Wahl konnte die Basis drei Mitglieder der Verhandlungskommission direkt wählen. Diese und andere Veränderungen der bisherigen Vorgehensweise müssen zeitnah auf ihren Nutzen (und evtl. Schaden) hin in einem die Basis einschließenden Evaluationsprozess untersucht werden. Konsequenzen aus den vielfältigen Wahlanalysen müssen ebenfalls gezogen und nachbereitet werden, damit wir in vier Jahren nicht dieselben Fehler erneut machen.                                                                                                                           
  5. Der inhaltlichen Positionierung zu diesen und anderen Grundsatzfragen, aber auch zu der (zukünftigen) politischen Ausrichtung muss ein transparenter, basisdemokratischer Prozess zugrunde liegen. Ob und welche Strukturen dafür überprüft, verändert und neu geschaffen werden müssen, müssen wir alle gemeinsam beantworten. Dafür ist vielleicht sinnvoll neben dem mit dem politischen Tagesgeschäft beschäftigten Landesvorstand und den inhaltlichen LAGs eine Strukturkommission oder eine LAG Struktur & Zukunft ins Leben zu rufen, damit solche Prozesse für alle Mitglieder zugänglich vorbereitet werden und über die Grenzen bestehender Netzwerke hinweg gemeinsam diskutiert werden können.

Die Wahlnachleseworkshops am 18. Juli sind eine gute Möglichkeit, mit der Basis gemeinsam die Wahlkampagne und –organisation, sowie die Ursachen für die Wahlniederlage zu untersuchen. Dies kann und wird nur ein weiterer Schritt in die richtige Richtung sein.

Ich meine, dass wir auf einem guten Weg sind, aber noch lange nicht am Ziel.