Die Meinung am Freitag, 27.09.13, von Michael "Pelle" Pelster.

Wissen, wo es langgeht? "Wer gewinnen will, muss auch verlieren können", so Landeschatzmeister Michael "Pelle" Pelster.

26.09.13 –

Wissen, wo es langgeht?     

Wer gewinnen will, muss auch verlieren können.

2,3% Verlust im Bund sind dramatisch, immerhin gut 1 Mio Stimmen. Eine halbe Millionen Wählerwanderung zur SPD, und schlimmer, 450 Tausend zur CDU.

3,3 % Verlust in Bremen sind dramatisch, aber eine messbare Quittung rot-grüner Landespolitik lässt sich daraus zunächst noch nicht herleiten. Hoch sind die Verluste in den gutbürgerlichen Stadtteilen Bremens. In den sozial benachteiligten Stadtteilen dagegen sind die Verluste geringer als im Schnitt.

Natürlich hat Angela Merkel einen großen Bonus im Wahlvolk. Die Machtoption Rot-Grün war nie richtig greifbar. Und wir haben sie im Wahlkampf nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Und wenn es ernst wurde, dann Rückzug. Keine Offensive über Kritik der Mechanismen und Regeln des Wirtschaftssystems, die die Massentierhaltung, die Energieversorgung und die Finanzkrise erst hervorbringen. Sondern Rückzug: Veggieday war nur ein Vorschlag, ihr Wähler werdet steuerlich gar entlastet, und Europa kam erst gar nicht vor. Schlüsselprojekte ja, aber nicht so.  Unsere Programmdebatte und unsere Spitzenkandidatenurwahl waren ein gutes Beispiel funktionierender innerparteilicher Demokratie. Aber wirkt das auch nach draußen? Hat das die Wählerschaft eigentlich interessiert?

Unser Programm war nicht einseitig auf Kernthemen konzentriert, sondern durchgerechnet und umsetzbar. Aber am Ende entscheiden die Wählerin und der Wähler.

Sie haben sich bis auf unsere Kernwähler gegen Grün entschieden. Sie haben sich gegen moralische Bevormundung und auch gegen befürchtete Einschnitte in ihrem Lebensstil entschieden.

Haben sie sich aber auch für weiterhin prekäre Beschäftigungen, gegen den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen, gegen die schnelle Umsetzung der Energiewende und gegen die ökologische Moderne entscheiden. Nein. Und trotzdem sind wir abgestraft worden.

War es unsere programmatische Abkehr von unseren Kernthemen Umwelt- und Energiepolitik? War es das Spitzenpersonal? Fehlen uns Utopien, Radikalität, Witz, Spontanität? Waren es die Angriffe der letzten Wochen? Waren es die Formate des Wahlkampfes? Und du? Hast Du nicht selbst daran schuld?

Wer jetzt alles Personelle und Inhaltliche schnurstracks über Bord wirft, handelt nicht gerade nachhaltig. Ein Programm - der Inhalt kommt bei Grünen immer vor den Personen - muss nachhaltig sein und sich gerade nicht aktuellen Mainstreams unterwerfen. Ein Programm muss, gerade dann wenn die grünen Kernthemen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind oder gar schon umgesetzt werden, sich auch in anderen Feldern der Politik beweisen, in der Gerechtigkeitsfrage, in Finanz- , Sozial- und Bildungsfragen und in der Europapolitik.

Ein Programm, das auch unser eigenes Klientel und  die grünen Wechselwähler nicht nur überzeugt, sondern mitnimmt.

Mitnehmen! Und du? Machst du endlich mit, gegen Massentierhaltung, Finanzkrise und für die Erneuerbaren? Steinbrücks Stinkefinger war unser Zeigefinger. Welcher Freiheitsbegriff steckte in unserem Wahlkampf, in unserer Strategie? Welche Visionen, welcher Aufbruch, welche Leidenschaft haben wir verkörpert? Welche Geschichten, welche Gefühle, welche Erwartungen haben wir angesprochen? Kein Wunder, dass die eigene Mitgliedschaft erst dann zu mobilisieren war, als die Prognosen einstellig wurden.

Der Traum vom guten Leben ist nicht einfach zu erfüllen. Wir vergessen oft, dass unser eigener ökologischer Fußabdruck oft hoch ist. Auch wir rauchen, essen Fleisch, fahren Auto, Reisen, haben große Wohnungen und Häuser und anderes mehr.

Der Traum vom guten Leben. Wenn wir versuchen ihn zu leben,  müssen uns deshalb alle folgen? Können alle dieses Leben auch leben?

Grüne Wählerinnen und Wähler haben hohe Ansprüche. An die Gesellschaft und erst recht an die Grüne Partei selbst. Das haben wir im Wahlkampf gespürt, wo wir uns auch mit Angriffen zu unserer Haushalts- und Finanzpolitik in Bremen auseinandersetzen mussten.

Viele Bürgerinnen und Bürger setzen ein gerechtes, ökologisches und modernes Leben bereits um, als Mülltrennende, als NichtraucherIn, als FahrradfahrerInnen, als Gesundheitsbewußte und mit einer ausgewogenen, auch vegetarischen Küche. Dafür haben Grüne lange gekämpft, dafür stehen Grüne, dafür bedarf es Überzeugung und auch Regularien, wie z.B. beim erfolgreichen durch Volksentscheid durchgesetzten bayrischen Rauchverbot. Müssen wir nicht stärker auf Regularien innerhalb des Wirtschafts- und Finanzsektors setzen und hier Kompetenzen entwickeln anstatt auf Regularien zu setzen, die an die Vernunft von Individuen appellieren?

Grüne sind keine besseren Menschen. Darüber werden wir nachdenken müssen.