Die Meinung am Freitag, 27.9.2013, von Silvia Schön.

Ich meine: Wir haben im Wahlkampf einen erheblichen Vertrauensverlust erlitten und es war auch eine Testwahl für die nächste Bürgerschaftswahl 2015!

27.09.13 –

Ich meine: Wir haben im Wahlkampf einen erheblichen Vertrauensverlust erlitten und es war auch eine Testwahl für die nächste Bürgerschaftswahl 2015!

Höhenflug und Absturz!

Dabei fing alles so gut an: Seit 2010/11 ein Höhenflug! Ausgelöst durch eigene Stärken, aber auch durch die Schwächen der anderen! Erinnert sei an Stuttgart 21, die Wendehalsigkeit der Kanzlerin im Atomkompromiss und nicht zuletzt Fukushima! Die CDU bekam ein Vertrauensproblem und wir einen Vertrauenszuwachs. Neben unserer eigenen Kompetenz und dem Vertrauen zu uns, führte u.a. das bei der Bürgerschaftswahl 2011 zu einem Ergebnis von 22,5% und in Baden-Württemberg zu 24,2% und einen grünen Ministerpräsidenten. In der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl lagen wir 2011 in den Spitzenwerten bei 24% und auch im März 2013 bei 17% und noch im Juli bei 14% bis der Absturz eingeleitet wurde und bei 8,4% jäh endete.  In Bremen erreichten wir bei dieser Bundestagswahl den niedrigsten Wert seit 1998 und verloren im Bundesdurchschnitt mit Schleswig-Holstein und Berlin am meisten. Dass die 24% Prognose aus 2011 nicht zu halten war, war mir klar. Denn es war die Synthese aus eigenen Stärken und den Schwächen anderer. Aber unsere eigene Stärke hätte ich bundesweit schon auf 14% taxiert und in Bremen auf 15 bis 18%. Von daher fängt darunter der Bereich der eigenen Fehler an. Zu dieser Fehlersuche möchte ich einen Beitrag leisten.

KandidatInnenaufstellung und Programm – ein urdemokratischer und Prozess!

Dabei fing alles gut an. Ich fand es gut, dass wir unser Spitzenduo in einer Urwahl wählten und gemeinsam in einem Voting unsere zentralen Projekte definiert haben. Das war ein urdemokratischer Prozess. Auch das dicke Wahlprogramm ist ein Ausdruck dafür, dass sehr viele von uns mitgearbeitet haben.

Doch dann kam der Wahlkampf. Aus meiner Sicht technokratisch, intellektuell, zu wenig warmherzig, zu wenig an den Alltagsbedürfnissen der Menschen.  Davon unbenommen ist, dass unsere beiden Bremer Kandidatinnen Marie Beck und Sülmez Dogan zusammen mit allen anderen einen super Wahlkampf gemacht haben. Ganz besonderer Dank gilt allen MitarbeiterInnen der Geschäftstelle, die unter schweren Bedingungen super engagiert waren.

Veggie-Day: Bevormundung und Besserwisserei oder Angebot für ein gutes Leben?

Gemeint war sicher das zweite. Bei den Menschen kam aber Bevormundung und Besserwisserei an, obwohl ein erheblicher Teil der Bevölkerung Teilzeitvegetarier ist. Mit der verunglückten Kommunikation war uns das Etikett als Verbots-Partei sicher. Weitere Argumente dafür wurden gefunden. Mit unserem Habitus und Auftreten haben wir diesen Eindruck durch viele Details gefördert. Damit wurden viele Befindlichkeiten reaktiviert, dass wir die Partei der Besserwisser seien und wüssten was für die Menschen gut wäre. Das empfinden sie zurecht als anmaßend. Über das Maß was wir staatlich regeln wollen und  wie wir die Wünsche und Möglichkeiten der einzelnen Menschen unterstützen oder sie schlicht in Ruhe lassen, sollten wir neu nachdenken.

Steuerwahlkampf statt Markenkern!?

Unser Markenkern „Umwelt“ geriet aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses. Auch die Bildungspolitik für die wir immer standen und die unserer bildungsaffinen Anhängerschaft wichtig ist, wurde in meiner Wahrnehmung eher randständig. Das führt bei WählerInnen zu der Frage, ob uns unsere Kerninhalte noch etwas bedeuten und warum man uns wählen sollte. Stattdessen wirkte es eher so, als wenn Jürgen Trittin – ich schätze in wirklich sehr – einen Wahlkampf in eigener Sache führt, als Empfehlungsschreiben als guter Finanzminister. Auf einmal stand nur noch die Finanzpolitik im Mittelpunkt.

Steinbrück und die Frauen

Überproportional viele Frauen gehören zu unseren AnhängerInnen. Wir hätten im Wahlkampf Kathrin Göhring-Eckart mehr nach vorne stellen sollen. Aus einer Frauensicht ist es schwierig nur Angela Merkel auf dem Bildschirm als  weibliche Identifikationsperson zu sehen und dann fast nur noch Männer. Gerade doch auch deshalb, weil ein Typ wie Peer Steinbrück aus der Frauenperspektive Vorbehalte  auslöst.

Eindrücke an den Wahlkampfständen in Bremen – Testwahl für Bremen!?

Interessanterweise spielten Bundesthemen an den Wahlkampfständen an den ich war eine untergeordnete Rolle. Auch die zum Schluss aufkeimende Pädophilie-Debatte, löste eher ein „Ihr tut mir leid! Das ist unfair! Und die CDU hat es gerade nötig! aus. Viel Kritik mussten wir einstecken für unsere Bildungspolitik. Sei es Kita-Betreuung, Ganztagsschulbetreuung oder Ausstattung der öffentlichen Hochschulen, wenn man gleichzeitig Geld für die Jacobs Universitiy hat. Dabei stand nicht im Zentrum man solle mehr Geld ausgeben, aber man möge es anders ausgeben. Ich habe es selten erlebt, dass Landesthemen bei einer Bundestagswahl dermaßen im Fokus standen. Das sollte uns zu denken geben. Unsere Anhängerschaft interessiert sich in erster Line für ökologische Nachhaltigkeit und nachhaltige Bildung. Sie ist überwiegend bildungsaffin und hat konkrete Erwartungshaltungen an uns in der Bildungspolitik. Nicht alle finden im Moment offenbar ausreichend Argumente, warum sie uns wählen sollten. Hier gilt es Vertrauen zurück zu gewinnen bzw. zumindest nicht weiter zu verspielen. Wie uns das gelingen kann und welche Angebote wir machen, sollten wir möglichst breit in der Partei diskutieren. Die Linke versucht gerade die Lücke zu besetzen, die wir aufmachen. Sie ist kompetenter als in der letzten Legislaturperiode und gewinnt Vertrauen. Sie baut sich gerade als interessanter Koalitionspartner für die SPD auf. Wir sollten gemeinsam diskutieren, wie wir verlorengegangen Vertrauen zurückgewinnen können. Das geht nur, wenn wir den Menschen darlegen können, was sie von uns haben. Und das ist in der Regel sehr konkret. Egal, ob es um den Kita-Platz, den Ganztagsschulplatz, den Studienplatz oder bezahlbaren Wohnraum geht. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass wir auch nach der nächsten Bürgerschaftswahl unsere Gestaltungsoption behalten.