Die Meinung am Freitag, 6.3.2015, von Zahra Mohammadzadeh

Ich meine, dass der 8. März ist ein gutes Datum ist, um erneut über das Kopftuchverbot nachzudenken.

06.03.15 –

Ich meine, dass der 8. März ist ein gutes Datum ist, um erneut über das Kopftuchverbot nachzudenken.

Das berühmte Wort von Rosa Luxemburg „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden" war immer auch ein wichtiger Leitsatz für die internationale Frauenbewegung. Aber heißt das nicht, auf die Religion bezogen, dass Religionsfreiheit immer die Religionsfreiheit der Andersgläubigen sein muss? Und will die Frauenbewegung wirklich international sein oder braucht sie die Beschäftigung mit der gefühlten Unterdrückung der Frauen aus anderen Kulturkreisen nur, um von der"eigenen"
Stagnation abzulenken?

Anfänglich war jedenfalls bei den bewegten Frauen in Deutschland durchaus echtes Interesse vorhanden, die Situation muslimischer Frauen näher kennen und verstehen zu lernen. Sehr bald jedoch reduzierte sich die frauenpolitische Neugier auf die Themen Ehrenmorde, Zwangsheirat und
Kopftuch. Feministinnen fällt es zunehmend schwer, angesichts unbestreitbarer Frauenrechtsverletzungen durch "islamisch" geprägte Strukturen und Beziehungen sachlich zu bleiben. Kein Zweifel: gegenüber Unterdrückung, Folter und Mord durch Islamisten greift die Mahnung zur Sachlichkeit nicht. Wohl aber, wenn diese Verbrechen, begangen an Frauen,
mit Fragen des Lebensstils und der Alltagsgestaltung durch Frauen in einen Topf geworfen werden. Dabei muss uns klar sein, dass beileibe nicht jedes Mädchen mit Kopftuch ihr Haar freiwillig verhüllt. Aber beim Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, zumal für Lehrerinnen, geht es um die Bekleidung
erwachsener Frauen, Menschen, bei denen in jeder anderen Verhaltensfrage Mündigkeit und verantwortliches Handeln vorausgesetzt wird.

Wenn wir unseren Ansprüchen einer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft gerecht werden wollen, müssen wir zumindest die Betroffenen hören, ihre individuellen Einstellungen ebenso wie ihren Diskurs. Und der ist vielfältig. Es scheint jedoch, dass die berechtigten Aufschreie über die islamistische Gewalt der Gesellschaft die Ohren verstopfen. Die Einstellung zur muslimischen Frau scheint sich in fataler Weise zu wandeln. Jahrelang haben wir gefordert, sie möge sich aus der Isolation heraus begeben und in die Öffentlichkeit treten. Jetzt, da sie es zunehmend tut
und zwar sichtbar als muslimische Frau, wird sie zum Problem.

Nehmen wir einmal an es gebe sie, die praktizierende muslimische und zugleich selbstbestimmte Frau und verantwortliche Bürgerin. Als „gut integriert" gilt sie nur, wenn sie ihre Religion nicht zeigt. „Gut integriert" zu sein, ist aber lebenswichtig geworden. Solange sie nicht aus dem Schatten des islamischen Familienkreises heraustrat, war es egal. Jetzt aber muss sie „gut integriert" sein, um draußen akzeptiert zu werden. Zum Beispiel um in der Arbeitsagentur, im Job Center die Beurteilung
"vermittelbar" zu erhalten. Um bei Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen erfolgreich zu sein. Um beim Arzt nicht behandelt zu werden, wie ein kleines Mädchen. Um im Kaufhaus oder beim Friseur nicht gesagt zu bekommen, diese Bekleidung sei doch unpraktisch. Das Kopftuch löst offenbar fast
überall den gleichen Reflex aus: Vorsicht, Unmündigkeit! Damit unterliegt die muslimische Frau dem Zwang, das Kopftuch abzulegen, will sie als das angenommen werden, was sie ist.

Wir können einen Beitrag leisten, damit sich das ändert. Mit der Abschaffung des Kopftuchverbots für Lehrerinnen können wir ein Signal setzen. Wir können der Gesellschaft sagen: seht her, es gibt sie, die praktizierende muslimische Frau und zugleich selbstbestimmte Frau und verantwortliche Bürgerin. Mündig, intelligent und gebildet. Islamischer Glaube ist nicht gleich Islamismus. Zu Ende gedacht ist das Kopftuchverbot nichts anderes als der Kopftuchzwang. Damit sollten wir Schluss machen. Der Internationale Frauentag wäre ein gutes Datum dafür.

Kategorie

Migration, Integration, Asyl