Die Meinung am Freitag, 7.11.2014, von Michael "Pelle" Pelster

Ich meine, dass Grüne auch mal darüber nachdenken sollten, dass die Bahn nicht ausschließlich ein ökologisches Fortbewegungsmittel ist. Dort arbeiten auch viele Menschen.

07.11.14 –

Ausstieg in Fahrtrichtung rechts?

Ich meine, dass Grüne auch mal darüber nachdenken sollten, dass die Bahn nicht ausschließlich ein ökologisches Fortbewegungsmittel ist. Dort arbeiten auch viele Menschen. Nicht nur Lokführer. Und die wollen gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne. Für Grüne eigentlich kein Problem. Eigentlich.
Ich bin länger Gewerkschaftsmitglied als Mitglied bei den Grünen. Gewerkschaftsarbeit ist mühselig und war auch nie sehr innovativ. Und dann kämpft man auch noch für die vielen unorganisierten Beschäftigten, die vollkommen selbstverständlich die ausgehandelten Löhne erhalten und annehmen und die auch vom Kampf um gesunde und soziale Arbeitsbedingungen profitieren.
Aber alles fällt nicht vom Himmel, sondern muss auch notfalls über Streiks erkämpft werden. Selten in Deutschland. Das Grundgesetz garantiert die Tarifautonomie, die besagt, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Tarifverträge aushandeln. So wie jetzt die Deutsche Bahn mit der Gewerkschaft der Lokführer.

Doch plötzlich geht ein shitstorm durchs Land, und nicht nur prominente Grüne fallen ein in die Legenden von zu machtvollen kleinen Spartengewerkschaften, von Belastungen, die auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden und dem Vermeintlichem Egowahn eines Gewerkschaftsführers. Kathrin Göring-Eckardt glaubt, dass Spartengewerkschaften die Solidarität der ArbeitnehmerInnen aufs Spiel setzen, weil sie nicht aufs Gemeinwohl schauen. Sigmar Gabriel sieht einen Machtpoker und keinen Tarifkonflikt. Andrea Nahles will, das überall dort, wo verschiedene Gewerkschaften um Beschäftigte konkurrieren, nur die Größte verhandeln darf, und der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn meint, dass der Streik der Region und der Stadt schade.

Ich meine, dass Grüne das Prinzip der Solidarität nicht aus dem Auge verlieren sollten. Grüne schauen immer gern in europäische Nachbarländer, wenn es um Mobilität geht, wenn in Deutschland nichts klappt, um zu beweisen: es geht doch.
Schauen wir doch ins europäische Umland. Lokführer in Deutschland verdienen sehr wenig. Eine etwas ältere Vergleichstabelle von 2007 sagt aus: Lokführer in der Schweiz verdienen fast das Doppelte, und in unseren Nachbarländern wesentlich mehr. Wer mit Zulagen als 40-jähriger Familienvater mit 2 Kindern nach 17 Jahren Berufserfahrung mit weniger als 2000 Euro netto nach Hause geht, gehört nicht in die Kategorie Lufthansapilot.
Und es geht auch um die Frage der Tarifeinheit. Ein Betrieb, ein Tarif. Das war einmal. Das Bundesarbeitsgericht hat vor über 4 Jahren entschieden, dass es keine Grundsätze gibt, wonach bei Arbeitsverhältnissen derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen anzuwenden sind. Und da in der GDL immerhin 30% der ZugbegleiterInnen organisiert sind, wollen diese auch vertreten werden. Die andere Gewerkschaft EVG, die aus der Vorläufergewerkschaft Transnet hervorgegangen ist, ist größer, aber zahmer. Ihr ehemaliger Chef Hansen ging konsequent den direkten Weg vom Arbeitnehmervertreter zum Arbeitsdirektor beim Arbeitgeber Deutsche Bahn.

Die Grünen Basics heißen: basisdemokratisch, ökologisch, sozial und gewaltfrei.
Basisdemokratisch ist der Weg von GDL-Chef Weselski: Er hat seine Mitglieder und die Tarifkommission hinter sich. Ökologisch ist dieser Streik auch: Wer jetzt glaubt, aufgrund von 4 Streiktagen nach über 6 Jahren (2011 waren nur einige Privatbahngesellschaften betroffen) wäre ein roll back der Verkehrswende zu befürchten, obwohl noch viele Güter- und Personenzüge fahren und die Klimakatastrophe vor der GDL nicht kapituliert, hat nichts begriffen. Sozial ist dieser Streik, weil er ArbeitnehmerInneninteressen durchsetzen will. Und gewaltfrei ist er allemal, solange sich die BürgerInnen im engen Zugwaggon nicht die Köpfe einhauen.

Bei uns Grünen gibt es eine kleine Gruppe bundesweit agierender Gewerkschaftsgrüner. Sie führen ein Schattendasein. Bei aller Notwendigkeit zur ökologischen Verkehrswende: wir sollten alle in der Spur bleiben. Es gibt auch eine zweite Klasse im Leben. Ohne Bahncard.

Michael „Pelle" Pelster ist Mitglied im Landesvorstand und in der Stadtteilgruppe Findorff

Kategorie

Arbeit