Die Meinung am Freitag, 8.1.2016, von Robert Hodonyi

Ich meine, dass eine europäische Antwort auf den autoritären Kurs einiger EU-Staaten fehlt.

08.01.16 –

„Pole und Ungar, zwei Brüderlein//zusammen kämpfen sie und trinken ihren Wein“ – das ungarisch-polnische Sprichwort, das die engen historischen Verbindungen zwischen beiden Staaten andeutet, hat zum Jahreswechsel 2015/16 eine traurige Aktualisierung erfahren.

Die Vorgänge nach den Wahlen in Polen gleichen der Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat, wie sie nach dem Amtsantritt des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban im Jahr 2010 und dessen Fidesz-Partei zu beobachten waren. Innerhalb eines Jahres hatte Orban unter anderem hochumstrittene Mediengesetze und eine Justizreform erlassen. Die Europäische Union hatte einige der neuen Gesetze gerügt, Korrekturen angemahnt, die Ungarn zum Teil auch umgesetzt hat. Die Grundrichtung der antidemokratischen Reformen wurde dadurch aber nur verzögert und lediglich in Teilen aufgehalten. Bis heute hat Brüssel im Grunde keine politische Antwort darauf gefunden, was mit Ländern passiert, die die Aufnahmekriterien nach ihrem EU-Beitritt nicht mehr erfüllen.

Im Polen zeichnet sich ein gleiches Muster ab: Die neue Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydło verliert keine Zeit, um die Presse- und Medienfreiheit zu schleifen und das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen. Außer Kraft gesetzt werden so wesentliche Bestandteile der Kopenhagener-Kriterien, die Voraussetzung für die Aufnahme in die EU sind. Und wie im Falle Ungarns betonen europäische Politiker reflexartig, dass man ganz genau hinsehen werde, was in der Sejm, dem polnischen Parlament, passiert.

Beide Länder sehen durch Flüchtlinge ihre (angebliche) Homogenität und Souveränität gefährdet. Dass in der EU-Asylgesetzgebung eine Unterscheidung in christliche und nichtchristliche Flüchtlinge unbekannt ist, spielt dabei keine Rolle. Schon gar nicht im Wahlkampf, wo die PiS mit Überfremdungsängsten breite Massen mobilisiert hat und auch nicht bei Orban. Auch deshalb sollte sich die CSU überlegen, wem sie den roten Teppich ausrollt. PiS und Fidesz sind politische „Kompromisse“ im Grunde zu wider, was auch die Arbeit im Europäischen Rat im Jahr 2016 nicht einfacher machen wird. Beide Parteien schwelgen lieber in nationalem Pathos und neigen zu autoritärer Krisenbewältigung.

Dass aus Brüssel kaum ernsthafter Widerstand zu erwarten ist, kann sich die PiS leicht ausrechnen. Sie hat die Entwicklung in Budapest aufmerksam verfolgt und steht im engen Austausch mit Fidesz. Beide Parteien verstehen ihre starken Wahlergebnisse als Votum zur Abbau der liberalen Demokratie, von Presse- und Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, kurz: checks and balances.

Die EU braucht daher endlich als ersten Schritt ein verbindliches Grundrechte-Monitoring, eine ständige Kopenhagen-Kommission als alternatives Instrument zum Rechtsstaatlichkeits-  bzw. sehr langwierigen und komplizierten Artikel 7-Verfahren (Sanktionen und Stimmentzug). Damit könnte – ähnlich dem Europäischen Semester in der Wirtschaftspolitik – jährlich die Situation der Grundrechte in allen Mitgliedsstaaten überprüft werden. Nicht nur die Opposition in Polen und Ungarn erhielte so innenpolitisch einen Resonanzboden, an den sie anknüpfen könnte, weil die europäische Kritik von den jeweiligen Regierungen nicht einfach zu ignorieren ist.

Robert Hodonyi ist Kulturdeputierter der Stadtbürgerschaft und Mitgründer von Káfé Zentral – Deutsch-Ungarisches Kulturforum Bremen

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Frieden/Internationales