Die Meinung am Freitag, 8.3.2013, von Susanne Wendland

Ich meine, dass die Familienpolitik in Deutschland unter der Schwarz-Gelben-Merkel-Regierungskoalition noch schlechter geworden ist. Diese ist teuer, intransparent, ineffizient und meistens ungerecht.

08.03.13 –

Ich meine, dass die Familienpolitik in Deutschland unter der Schwarz-Gelben-Merkel-Regierungskoalition noch schlechter geworden ist. Diese ist teuer, intransparent, ineffizient und meistens ungerecht. Durch die Familienpolitik wird weder Kinderarmut verhindert, noch gelingt es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Viel Geld wird direkt an Familien überwiesen und das ganz unabhängig davon, ob sie es überhaupt benötigen. Gleichzeitig fehlt den Kommunen, so auch Bremen und Bremerhaven, die nötigen Mittel, um Plätze in Kindertageseinrichtungen und Ganztagschulen zu schaffen.

Diese Feststellungen sind nicht neu. Neu ist allerdings, dass das Problem in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Neu ist auch, dass diese Feststellungen jetzt durch eine wissenschaftliche Studie im Auftrag der Schwarz-Gelben-Merkel-Regierungskoalition bestätigt wurden. Allerdings: Die Ergebnisse der Studie sollen auf Wunsch von Schwarz-Gelb das Licht der Öffentlichkeit erst nach der Bundestagswahl erblicken. Glasklar ist, dass es sich hierbei nicht nur um ein Wahlkampfmanöver handelt, um die Verantwortung der Schwarz-Gelben-Regierung zu verschleiern. Sondern: Mit dieser Verschleierungstaktik wird auch verhindert, dass notwendige Veränderung in Fluss kommen können.

Ich meine aber auch, dass Familienpolitik und insbesondere Politik für Kinder schon viel zu lange nach ideologischen Kriterien betrieben worden ist. Uns Grünen geht es darum, das Wohl der Kinder in den Fokus der Aufmerksamkeit zu stellen -wohlwissend, dass dies längst über der Zeit ist. Ein nicht unerheblicher Teil der Förderung hat den Trauschein als Voraussetzung und nicht das Zusammenleben mit Kindern. Es wird also eine Form der Partnerschaft gefördert, ganz unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind. Das knüpft an die verstaubte und längst überholte Vorstellung an, dass es Kinder nur in Ehen und in Ehen immer Kinder gibt. Die Realität sieht längst anders aus. Für uns Grüne ist Familie dort, wo Kinder sind.

Das Ehegattensplitting privilegiert verheiratete Paare gegenüber unverheirateten, und das völlig unabhängig davon, ob sie Kinder haben. Das ist aber nicht die einzige Kritik am Ehegattensplitting. Es basiert auf dem tradierten Bild des männlichen Alleinverdieners und der daheim bleibenden Hausfrau. Denn der Splittingvorteil ist umso höher je größer der Einkommensunterschied zwischen den Partnern und je höher das Einkommen des besserverdienenden Partners ist. Damit wird strukturell ein negativer Anreiz für verheirate Frauen gesetzt, um eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Das Ehegattensplitting wirkt somit als eine Stilllegeprämie für Frauen.

Mit einer Förderung des Zusammenlebens mit Kindern hat das nur wenig zu tun. Wir Grüne wollen deshalb das Ehegattensplitting abschmelzen zugunsten einer Individualbesteuerung mit Realsplitting. D.h., wir wollen grundsätzlich eine individuelle Besteuerung jedes Ehepartners. Muss ein Ehepartner für den anderen ganz oder teilweise für den Unterhalt des anderen aufkommen, dann kann der nicht in Anspruch genommene Grundfreibetrag übertragen werden. Darüber hinaus wird der Unterhalt als Sonderausgabe steuerlich berücksichtigt. Diese Form der Besteuerung ist gerechter, und für uns Grüne soll sie sowohl für Ehepaare, als auch für gleichgeschlechtliche und ungleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gültig sein. Die notwendige Förderung des Zusammenlebens mit Kindern soll in Zukunft unabhängig von einem Trauschein erfolgen.

Nicht jedes Kind ist gleich viel wert. Die Förderung von Kindern über das Steuersystem funktioniert nach der Logik: Je höher das Einkommen der Eltern ist, desto höher ist auch die staatliche Förderung für deren Kinder.

Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang am Kindergeld und dem steuerlichen Kinderfreibetrag. Für Kinder wird entweder ein Kindergeld von 184 EUR im Monat gewährt oder wahlweise ein steuerlicher Kinderfreibetrag von 4.848 EUR pro Jahr. Für Ehepaare mit einem zu versteuernden Einkommen von über 60.000 EUR im Jahr führt der in Anspruch genommene Kinderfreibetrag zu einer höheren Entlastung im Vergleich zu den Eltern, die über weniger Einkommen verfügen. Der steuerliche Kinderfreibetrag wiederum steigt mit steigenden Einkommen noch weiter an. Verschärft wurde diese Ungleichbehandlung durch eine überproportionale Erhöhung des Kinderfreibetrags gegenüber dem Kindergeld, vorgenommen durch die Schwarz-Gelbe-Merkel-Regierung im Jahr 2009.

Besonders hart betroffen sind die Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Denn diese Kinder gehen leer aus. Da der Regelsatz angeblich das gesamte Existenzminium - auch von Kindern - abdecken soll, wird das Kindergeld vollständig als Einkommen angerechnet und damit vom Regelsatz abgezogen. Was das bedeutet lässt sich am besten an einer Erhöhung des Kindergeldes beschreiben. Beschließen Bundestag und Bundesrat eine Erhöhung des Kindergeldes, bekommen zwar die Eltern im Sozialleistungsbezug diese Erhöhung ebenfalls. Diese Erhöhung wird aber als zusätzliches Einkommen gewertet, so dass ihre Transferzahlungen um genau diesen Betrag wieder gekürzt werden. Ich finde, es ist erschütternd, dass auf der einen Seite das Kindergeld erhöht wird, und die, die es am Meisten brauchen nämlich die Kinder von Sozialleistungsempfängern davon ausgeschlossen werden.

Dass die Schwarz-Gelbe-Familienpolitik nicht dafür gemacht ist, Familien- und damit auch Kinderarmut zu vermeiden, zeigt sich auch an der unsäglichen Geschichte des Betreuungsgeldes. Eine unsägliche Geschichte deshalb, weil mit dem Betreuungsgeld das seit den 1950iger Jahre tradierte Frauenbild auch weiterhin zementiert werden soll. Das Betreuungsgeld ist eine Herdprämie! Eine schnelle Rückkehr oder ein schneller Einstieg von Frauen in das Berufsleben ist allerdings nur mit einem bedarfsgerechten Angebot an Betreuungsplätzen möglich.

Das Betreuungsgeld ist eine Kita-Fernhalte-Prämie. Es ist eine bildungspolitische Katastrophe für viele Kinder in unserem Land. In den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für die späteren Bildungschancen gelegt. Eine hohe Beteiligung von Kindern verringert die Abhängigkeit des späteren Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft der Kinder. Hier gibt es bei uns in Deutschland noch großen Nachholbedarf. Mit dem Betreuungsgeld wird Familien mit geringen Einkommen ein falscher Anreiz gesetzt, ihre Kinder nicht an frühkindlicher Bildung teilhaben zu lassen. Wie absurd und ungerecht die Anti-Kita-Prämie ist, zeigt, dass Hartz-IV-Empfängern das Geld als Einkommen angerechnet und von den Bezügen abgezogen wird.

Mit der steuerlichen Förderung von Ehe und Kindern werden große Summen wirkungslos aus dem Fenster geschmissen, ohne das Kinderarmut wirkungsvoll bekämpft oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöht wird. Auf der anderen Seite fehlt den Ländern und Kommunen Geld, um für Kinder eine gute Betreuung und ausreichend Plätze in Kindertagesstätten zur Verfügung zu stellen und ein ausreichendes Angebot an Ganztagsplätzen zu ermöglichen. Eine solche soziale Infrastruktur wirkt in mehrfacher Hinsicht positiv. Die Entwicklung der Kinder wird unabhängig von ihrem Elternhaus gefördert. So legen wir den Grundstein für soziale Mobilität. Weiter wird beiden Elternteilen ermöglicht einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Damit wird den Wünschen vieler Frauen Rechnung getragen sich nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden zu müssen. Aus einem „oder“ wird ein „und“. Ganznebenbei wird aus Frauen, die vorher auf indirekte oder direkte Unterstützung des Staates angewiesen wären, Steuerzahlerinnen und Beitragszahlerinnen in den Sozialversicherungssystemen. Nicht zuletzt besteht die Hoffnung, dass sich mehr Frauen ihre unerfüllten Kinderwünsche erfüllen, wenn sie beruflich nicht mehr zurückstecken müssen.

Wenn allerdings - so wie jetzt - Frauen sich ihre Kinderwünsche nicht erfüllen und die Geburtenrate niedrig ist, sollte uns das eine dringliche Warnung sein. Unter der Schwarz-Gelben-Merkel-Regierungskoalition ist die Familienpolitik noch teurer und ungerechter geworden. Wir brauchen eine andere Politik, damit weniger Kinder in Armut leben. Wir brauchen eine andere Politik, damit Frauen Familie und Karriere vereinbaren können. Wir brauchen eine andere Politik, damit wir ein kinderfreundliches Land sein können. Hierfür lasst uns im Wahlkampf gemeinsam streiten.

Die Meinung als pdf.

Kategorie

Kinder & Familie