Marieluise Beck (MdB) zum Grünen Neujahrsempfang am 13.1.2013

Wie uns Marieluise Beck auf das Jahr der Bundestagswahl einstimmt, könnt Ihr in ihrem Redemanuskript hier nachlesen.

18.01.13 –

Ansprache am Grünen Neujahrsempfang von Marieluise Beck am 13. Januar 2013.

 

Liebe Gäste, liebe Grüne, liebe Freundinnen und Freunde!

In der vergangenen Woche zeichnete der Präsident der Bremischen Bürgerschaft ein düsteres Bild für das neue Jahr, das mit der Unglückszahl „13“ belastet ist.

Ich verspreche Ihnen, wir Grüne sind optimistisch genug, dass wir für das kommende Jahr den Weltuntergang nicht erwarten. Im Gegenteil, wir wollen in guter Zuversicht und mit einer gehörigen Portion Tatkraft und Vertrauen in die Zukunft in dieses Jahr gehen.

Denn es gibt viel zu tun – und Herausforderungen spornen uns an.

Wenn ich als grünes Urgestein, wie ich mich charmanterweise immer wieder nennen lassen muss, nur einen kurzen Blick in die grüne Geschichte zurückwerfe, sehe ich manch einen Irrtum, aber vor allem eine atemberaubende Veränderung des Lebens in Deutschland:

  • Ein FDP Außenminister schreibt sich die atomare Abrüstung auf die Fahnen und nimmt seinen Ehemann mit auf Reisen.
  • Die CDU stellt eine weibliche Kanzlerin und die versucht sich – mehr schlecht als recht – am Ausstieg aus der Atomenergie.
  • Eine CDU-Arbeitsministerin fordert die Quotierung.
  • Ein flotter Adeliger verkündete den Umbau der Bundeswehr zu Freiwilligenarmee.
  • Eine brave Pfälzerin darf sich aus dem Kanzleramt heraus an Deutschland als Einwanderungsland versuchen, obwohl Einwanderung blödsinnigerweise immer noch verschämt Zuwanderung genannt wird.

Das sind alles grüne Ideen, aber bekanntlich ist das Original besser als die Kopie, Grund genug, dass wir den Laden in Berlin wieder selber übernehmen.

Also schauen wir nach Berlin: So stümperhaft wir Schwarz-Gelb hat sich selten eine Regierung präsentiert – und dennoch, Angela Merkel ist populär wir nie und besitzt sogar die Chuzpe, diese Chaosregierung als die erfolgreichste der Nachkriegszeit zu bezeichnen.

Nichts passt da zusammen und dennoch: Angela Merkel ist so populär, weil sie es geschafft hat, das Vertrauen zu gewinnen, dass die Republik in unruhigen Zeiten bei ihr in guten Händen ist.

Sie vermittelt den Eindruck, wir steuern das Schiff durch unruhige See und es sind keine großen Kurskorrekturen nötig.

Diese Geschichte können und wollen wir nicht erzählen. Die Grünen stehen für weitreichende Veränderung und produktive Unruhe.

Unsere Herausforderung ist es, Veränderung und Vertrauen zu verbinden. Das ist das Geheimnis von Winfried Kretschmann.

Unsere Botschaft muss sein: Soziale Sicherheit und nachhaltiger Wohlstand sind nicht bei einem weiter so, sondern nur durch grundlegende Reformen zu erreichen.

Grüne stehen für drei fundamentale Projekte:

  1. Der Brückenschlag von Ökologie und Ökonomie, also ein neues grünes Wirtschaftswunder.

Die Energiewende ist dafür der Schlüssel. Wobei die erste Etappe geschafft ist: Alle haben verstanden, dass Wind und Sonne die neuen Energieträger sind. Aber jetzt kommt der zweite große und viel umfassendere Schritt, der Umbau des gesamten Systems für so eine neue Energieversorgung. Und das ist eine Herkulesaufgabe.

  1. Teilhabe für alle

Während die Energiewende vor allem Investitionen in neue Technik und Infrastruktur bedeutet, geht es hier um Investitionen in die Menschen, vor allem in unsere Kinder. Bildung ist der Schlüssel, um in einer modernen Wissensgesellschaft mithalten zu können– und dazu müssen alle Zugang bekommen und nicht nur die weiße Mittelschicht.

Grüne haben eine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit: Sie verbindet die soziale Grundsicherung für alle mit Chancengerechtigkeit. Die ist Voraussetzung für das Handeln in Selbstverantwortung und die Chance auf Eigeninitiative.

Wir wolle nicht nur einen sozialen Staat, sondern auch eine solidarische Gesellschaft. Das denkt auch die Freiheit mit – und das sollten wir Grüne tunlichst tun, wenn die Enkel der FDP nicht mehr Freiheit denken können, sondern nur noch Marktwirtschaft.

  1. Unser drittes Projekt ist Europa.

Europa ist mehr als die Rettung des Euro. Und ein Durchwursteln wie in den letzten Jahren trägt nicht mehr. Es klafft eine riesige Lücke zwischen der gemeinsamen Währung und der fehlenden Koordinierung in der Finanz- und Steuerpolitik. Es klafft auch eine Lücke zwischen schnell zu treffenden Entscheidungen, die Generationen binden und ihrer mangelnden demokratischen Legitimation.

Für was für ein Europa stehen wir? Stehen wir für ein Modell der Vereinigten Staaten von Europa oder ein flexibles Netzwerk differenzierter Kooperation und Integration?

Europa wird nicht tragen, wenn die politischen Eliten weiterhin versuchen, es hinter dem Rücken von Bürgerinnen und Bürgern durchzusetzen. Ohne ein Europa von unten wird uns der Laden um die Ohren fliegen – auch hier braucht es eine mutige und nicht eine verschämte Politik.

Das alles, liebe Freunde, wollen wir nicht mehr nur als starke Opposition, sondern aus der Regierung heraus gestalten.

Viele machen sich in diesen Tagen Sorgen, dass uns dafür der Partner abhanden zu kommen droht. Wie so häufig trifft auch hier zu: Oh, hätte er doch geschwiegen! Vielleicht sollte der übermütige Kandidat ein kleines gendertraining in Betracht ziehen und einen Zehnpunkteplanfür mehr Bescheidenheit unterzeichnen?

Ich sage den lieben Freunden von der Sozialdemokratie in diesem Raum, wir wollen mit Euch zusammen gehen, aber wir sind nicht Euer Beiboot.

Die Idee von der grünen Eigenständigkeit ist aktueller denn je angesichts dieser politischen Großwetterlage.

Wir sollten sie im Wahlkampf sehr ernst nehmen.

Die Welt entwickelt sich in rasantem Tempo und wir können uns nicht in eine gemütliche Nische zurückziehen.

Und, so möchte man dem traurigen Bürgerschaftspräsidenten zurufen, wenn die Menschheit auf die 9 Milliarden zuläuft, so kann mitnichten die Wirtschaft schrumpfen. Es geht darum, Neues und Anderes zu produzieren, nicht gegen, sondern mit der Natur.

Es geht um Aufbruch – nicht um Abbruch.

Ja, der Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts war oft erkauft durch die Zerstörung der Natur. Gewachsen sind wir auf ihre Kosten.

Nun geht es darum, einen neuen Weg einzuschlagen – den der Kooperation mit der Natur. Und das wird gelingen, wenn wir uns mit Neugier und Zuversicht den Herausforderungen stellen.

Fast möchte ich sagen: Yes, we can! Gemeinsam werden wir den politischen Neuanfang schaffen. Und ich drücke unseren Freunden in Niedersachsen die Daumen, dass sie ein Signal auch für Berlin setzen können.

Wir in Bremen werden jedenfalls unser Bestes tun.

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