Zukunft ist aus Mut gemacht

Helga Trüpel meint, dass das Motto für den Wahlkampf genau das richtige ist, da es den Wunsch ausdrückt, sich einzumischen.

22.06.17 –

Zukunft ist aus Mut gemacht

 

Dieses Motto für den Wahlkampf gefällt mir, setzt es doch auf die Transformation der weitverbreiteten (Zukunfts-) Angst in den Willen zur Gestaltung, das Überwinden des Opferstatus und drückt den Wunsch auf, sich einmischen zu wollen, Gesellschaft positiv verändern und prägen zu wollen und sich nicht einer Angst zu überlassen, die einen lähmen kann. Also als Grundhaltung für einen Wahlkampf, in den man in schwierigen Zeiten gehen will, keine schlechte Grundposition.

 

Trotzdem stört mich an dieser positiven Botschaft, was damit nicht transportiert wird. Denn die Angst ist nicht nur ein Motiv der AfD, die die gezielt für ihre Zwecke bei der Stimmungsmache gegen Ausländer nutzt, und dabei die Angst überbewertet und anfüttert, es ist auch ein Stück Verleugnung der eigenen grünen Geschichte dabei. Die Grünen  haben auch aus Angst, aus Besorgnis, aus Skepsis vor der Gentechnik, dem Waldsterben und der Atomkraft gewarnt und Skepsis gegen unhinterfragten Fortschrittsoptimismus ist auch ein Teil der grünen Geschichte, Politik zu machen. Überbordende Angst ist gefährlich, lähmend, aber es gibt auch die Funktion der Angst als Warnsignal, dass man nicht unreflektiert  auf positive Entwicklungen vertrauen sollte und dass Technikfolgenabschätzung notwendig ist und man nicht zu vorschnell auf technische Machbarkeit setzen sollte.

 

Ich erinnere mich an eine Veranstaltung mit Lothar Späth im Schauspielhaus in Bremen, wo er die Grünen als Angstmacher, Zukunftsverweigerer und Technikfeinde gebrandmarkt hat und für Zukunftsmut geworben hat. Auch wenn Zukunftsmut eine sehr gute Eigenschaft und Haltung ist, weil sie mit positiver Energie verbunden ist, war die Infragestellung von Technologien, die angeblich nur positiven Fortschritt brachten, doch nicht unangemessen, weil so erst eine Debatte um Eindämmung oder Verhinderung  (Atomausstieg) von Risikotechnologien in Gang kam und Alternativen entwickelt wurden (erneuerbare Energien). Also überdimensionierte Angst ist bedrohlich und nicht hilfreich, aber sie und ihre Funktion als Warnhinweissystem zu leugnen, wäre selbstvergessen.

 

Darum wünsche ich mir, dass wir um unsere grüne Geschichte im Umgang mit Befürchtungen und Mut wissen und dass wir in Bezug auf die Digitalisierung nicht nur hurra schreien, dass wir zwar die enormen Freiheitspotentiale sehen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, dass wir aber auch die Befürchtungen vor den Disruptionen, die durch sie ausgelöst werden, sehen und versuchen, eine Ordnungspolitik in Bezug auf die digitalen Monopole zu entwickeln, die die Konzerne steuerpflichtig machen, verlangen, dass sie KünstlerInnen fair vergüten und dass sie als Medienunternehmen neuen Typs auch Regeln unterworfen werden, die keine Zensur, aber auch kein völliges laissez faire bei Hasspropaganda und Beleidigungen ermöglicht.

 

Also was ich sagen will, Zukunftsmut ist gut, aber es sollte kein dumpfer Fortschrittsoptimismus sein, darum sind Spuren von Angst und Skepsis als Antennen für in sich widersprüchliche Entwicklungen durchaus hilfreich. Mut einerseits  und Befürchtungen vor Risikotechnologien sind in der grünen Geschichte immer zusammen vorgekommen, und das war nicht falsch.